Ezzes
Nimmerwiedersehen verschwunden. In der Zeitung hatte er gelesen, dass an diesem Tag sieben Rennen stattfinden würden. Wirklich spannend wurde es aber erst ab dem dritten, sodass sich Bronstein fünf Schilling für die Wetten genehmigte. In jedem Rennen würde er einen Schilling Einsatz wagen und sich dann einfach überraschen lassen. Mit etwas Glück machte er am Ende des Tages ein klein wenig Gewinn, sodass er gratis dinieren konnte. Und eben fuhr die Bahn in Tribuswinkel ein.
Zwanzig Minuten später betrat Bronstein den Trabrennplatz in Baden. Der „Preis von der Hauswiese“ wurde eben ausgestritten, das zweite Rennen, in dem „Bon Ami“ und „Billedoux“ als Favoriten galten. Bronstein hatte um zehn Groschen ein Programmheft erworben und ließ sich auf einer freien Bank in der zweiten Reihe nieder. Das dritte Rennen, so fand er heraus, würde ihn eigentlich auch nicht interessieren, so würde er also erst im vierten setzen. Und er würde gleich zu Beginn auf Nummer sicher gehen. „Plunger Boy“ aus dem Stall eines englischen Profis galt als unschlagbarer Favorit. Dementsprechend niedrig standen die Quoten. 1:2. Immerhin, damit würde er den Schilling gewinnen, mit dem er dann im fünften Rennen auf „Ultimo“ setzen würde.
Bronstein interessierten die technischen Details der Pferde ebenso wenig wie ihre bisherige Wettkampfbilanz. Er verstand von solchen Details ohnehin nichts. Er ging in solchen Dingen nach Gefühl vor, und „Ultimo“ klang gut in seinen Ohren. Hieß es nicht in der Bibel, die Letzten würden die Ersten sein? Entschlossen erhob er sich und ging zum Wettbüro. „An Schülling auf Plunger Boy und an auf Ultimo“, sagte er gelassen. Postwendend erhielt er die Wettscheine ausgefolgt. Mit diesen in der Hand ging er zurück zu seinem Sitzplatz. Im drittenRennen hatte eben „Burscherl“ den favorisierten „Don Juan“ geschlagen, und Bronstein war froh, in diesem Wettkampf noch nicht gewettet zu haben, denn diesen Zettel hätte er jetzt getrost zerreißen können.
Nun wurden „Plunger Boy“ und seine Konkurrenten auf die Kampfbahn geführt. Es ging um den „Emil-Kraft-Preis“, der offenbar ganz gut dotiert war, denn an diesem Bewerb nahmen gleich mehrere ausländische Rennställe teil. Bronstein war beruhigt, dass „Plunger Boy“ mehr als beeindruckend aussah, denn das deutete auf einen sicheren Erfolg hin. Und schon gab der Starter das Zeichen.
Eineinhalb Minuten später spuckte Bronstein zornig aus und zerknüllte seinen Wettschein. Der britische Gaul war das Rennen zu schnell angegangen, sodass er am Ende nicht mehr zulegen konnte. Ein unscheinbarer Klepper namens „Mädy“ schnappte dem Engländer den Lorbeer vor den Nüstern weg. Jetzt hieß es auf „Ultimo“ hoffen, sonst war das Surschnitzel am Abend ein teurer Spaß.
Nervös zündete sich Bronstein eine weitere Zigarette an. „Ultimo“ sah alles andere denn vertrauenerweckend aus. Und er kam auch schon nicht gut vom Start weg. Doch das mochte noch nichts bedeuten. „Mädy“ hatte zuvor auch aus dem Hinterhalt das ganze Feld aufgerollt. Doch der Abstand zwischen der Spitze und „Ultimo“ wurde größer statt kleiner. Die Schindmähre war tatsächlich das Letzte. Ein überaus passender Name für diese lahme Krücke. Der war ein klarer Fall für den Abdecker. „So a Schas“, schimpfte Bronstein und begab sich neuerlich zum Wettbüro. Im „Preis von Kottingbrunn“ vertraute er auf „Walküre“. Die Walküren brachten die gefallenen Helden nach Walhalla, und er war jetzt schon zweimal gefallen. Also setzte er kurz entschlossen zwei Schilling auf „Walküre“, die eine Quote von 1:2,5 aufwies. Und beim Kurpark-Handycap vertraute er wieder auf den Favoriten,auf das englische Pferd „Indra“, das mit 1:4 gehandelt wurde. Hier legte er seinen fünften Schilling an. Sollten beide Wetten aufgehen, so würde er immer noch vier Schilling Reingewinn machen, womit die Zeche beim Heurigen restlos ausfinanziert wäre. Mit prickelndem Bangen kehrte er auf die Zuschauerbänke zurück.
Die „Walküre“ legte einen fulminanten Start hin, und zur maßlosen Freude Bronsteins kam sie auch nicht mehr in Bedrängnis. Er vergaß all seine gute Erziehung, riss die Arme hoch und jubelte lautstark über den Triumph. Selbst wenn „Indra“ sich auch als Versager entpuppen sollte, dank „Walküre“ hatte er zumindest keinen Verlust mehr zu beklagen. Und das schöne Wetter gefiel ihm mit einem Mal noch besser.
Als hätte
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