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Fabula

Fabula

Titel: Fabula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Prestwick, eingekeilt zwischen zwei Buchten auf einem Klippenvorsprung. Normalerweise verlässt man die A77 gleich hinter Turnberry und folgt dem ausgebauten Küstenweg, bis man auf die weiten Parkanlagen mit dem mächtigen Schloss trifft.
    Archibald Darcy war damals neugierig durch jeden Raum geschlendert, und sein prüfendes Auge hatte all die alten Kunstwerke, die dort waren, eingehend betrachtet. Er hatte, wenn Colin sich recht erinnerte, sogar einige der Bilder erstanden und dem damaligen Besitzer zwei Gemälde von Nasmyth vermittelt.
    Jetzt standen Livia und Colin, die noch immer ein wenig desorientiert waren, in dem eleganten Salon, der kreisrund Die hohen Fenster waren gerahmt von karmesinroten Vorhängen, den Holzboden bedeckte ein runder Teppich von der gleichen Farbe. Alles in dem Raum wirkte warm wie das Sonnenlicht.
    Colin konnte sich an den Teppich erinnern, Robert Adam höchstselbst habe ihn entworfen, hatte man ihnen damals gesagt.
    Der Raum befand sich in einem Turm, der mitten aus dem schroffen Felsen herauswuchs, sechsundvierzig Meter hoch über dem Firth of Clyde mit seinen unruhigen Wassern.
    Zwischen den Fenstern, die zwei Meter hoch sein mochten, standen in regelmäßigen Abständen große bewohnte Bienenkörbe, geflochten aus Stroh, goldgelb mit einigen dunklen Flecken. Aus den winzigen Öffnungen an den Vorderseiten der Körbe flogen vereinzelt Bienen durch den Raum zu den geöffneten Fenstern hinaus.
    Einige der Tiere krabbelten auf den Vorhängen herum.
    »Wie ich sehe, haben Sie den Weg hierher gefunden.« »Ja«, sagte Colin und sah sich um.
    »Manche Pfade zu beschreiten«, stellte sie fest, »ist nicht einfach.«
    »Wir haben sie gesehen«, sagte Colin.
    »Wen?«
    »Meine Mutter.«
    »Jeder sieht etwas anderes, wenn er in den Mond schaut, haben Sie das nicht gewusst?«
    »Nein«, sagte Colin.
    »Und Sie?«
    »Nein«, sagte Livia.
    Madame Redgrave lächelte, und eine Biene fiel ihr aus dem Mund. »Sie sind noch jung, beide.«
    »Jetzt sind wir hier.«
    Madame Redgrave, der, wie am Tag zuvor, Bienen auf Händen und Armen saßen, stand ruhig da. »Ja, ich habe Sie erwartet«, bekannte sie. Dann trat sie vor, ergriff Livias Arm und betrachtete das Mal darauf. »Es lebt noch immer, und bald schon wird es hungrig werden. Dann wird sich die wilde Wabe von Ihnen ernähren, mein Kind.« Sie wandte den Blick von ihr ab und richtete ihn erneut auf Colin. »Ich dachte, Sie bringen Ihren Bruder mit nach Culzean Castle.«
    »Danny ist an einem Ort, an dem Sie ihn niemals finden werden«, gab er zu.
    Warum lügen?
    »Sie spielen also nicht nach meinen Regeln.« Es war eine Feststellung, so beiläufig und leise geäußert, dass Madame Redgrave fast schon wie ein Raubtier klang, das seine Zähne fletscht.
    Colin machte ein Gesicht, das, wie er hoffte, cool aussah. »Ich schlage Ihnen dafür ein anderes Spiel vor.«
    »Ein anderes Spiel, hm?« Sie schaute Livia so an, wie ein Tiger seine Beute beäugt. »Ist sie damit einverstanden?«, fragte sie Colin. Ihre Haare, das bemerkte er erst jetzt, waren ganz weiß geworden.
    »Sie sagten, dass einer wie Danny den Preis zahlen muss.«
    »Ja, das sagte ich.«
    »Könnte ich derjenige sein, der den Preis bezahlt?«
    »Das sagte ich Ihnen bereits.«
    Colin schaute zum Fenster hinaus, dachte nach.
    »Heißt das, Sie bieten sich an, Mr. Darcy?«, köderte sie ihn.
    »Nein, tue ich nicht.«
    »Aber Ihren Bruder zu übergeben, das weigern sie sich ebenso.«
    »Ja.«
    »Worin also besteht dieses interessante neue Spiel? Und warum sollte ich einwilligen, es zu spielen?«
    »Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet. Könnte ich derjenige sein?«
    Sie nickte.
    Eine Biene landete ihr auf den Lippen.
    Madame Redgrave öffnete den Mund, und das kleine Tier kroch hinein. Sie leckte sich mit der Zunge über die Lippen und lächelte dann. »Ich hätte Ihnen gestern schon anbieten können, den Preis an Ihres Bruders statt zu entrichten, doch schien es mir, als wollten Sie mit der ganzen Sache nicht über Gebühr zu tun haben.«
    »Stimmt.«
    »Ich kann Sie natürlich nicht dazu zwingen , Ihres Bruders Schulden zu tilgen. Das war es, was ich Ihnen gestern klarzumachen versuchte. Das Geschäft wurde zwischen Daniel Darcy, Mr. Moon und mir geschlossen, wobei ich, das sei noch einmal angemerkt und betont, nur der Vermittler bin.« Sie lächelte süffisant, und die Biene, die ihr vorher in den Mund gekrochen war, zwängte sich wieder zwischen den Lippen hindurch nach draußen,

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