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Fabula

Fabula

Titel: Fabula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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London Business School.
    Dr. Malcolm H. Simon, der Inhaber des Lehrstuhls, hatte einige der Artikel gelesen, die Colin Darcy in Cambridge geschrieben hatte und die, natürlich, unter dem Namen seines dortigen Professors veröffentlicht worden waren.
    »Andrew Cave«, hatte Malcolm Simon in Darcys Vorstellungsgespräch betont, »ist ein Trottel, der noch nie einen sinnvollen eigenen Satz zu Papier gebracht hat. Im Studium haben wir ihn immer nur den Igel genannt.«
    Darcy, der vorsichtig war, wenn es um Humor ging, hatte nur bemerkt: »Ach, ja?!«
    »Hat sich immer zusammengerollt und tot gestellt, sobald es richtige Arbeit gab.« Malcolm Simon hatte breit gegrinst. »Keine Ahnung, wie er es bis nach Cambridge schaffen konnte, vermutlich Beziehungen.« In seiner für die London Business School höchst unkonventionellen Kleidung (allzeit schwarze Jeans und schwarzes T-Shirt) wirkte er eher wie ein Rockstar als wie die Kapazität auf dem Gebiet der angewandten Chaosforschung. »Sie, Mr. Darcy, kamen als Einziger als Autor der letzten beiden Artikel, die der Igel im Economist veröffentlicht hat, in Frage. Deswegen sind Sie hier. Sie sind gut. Und ich würde mich glücklich schätzen, wenn ich Sie in mein Team aufnehmen dürfte.«
    Darcy hatte versucht, neutral auszusehen.
    »Geben Sie schon zu, der Igel ist ein fauler Sack.«
    Zögerlich hatte Colin Darcy genickt.
    »Schlagen Sie ein?«
    Das Lächeln, das sich auf Colin Darcys Gesicht ausgebreitet hatte, war nicht gespielt gewesen. Dies hier war der Schritt, auf den er gewartet hatte. Dies war seine Eintrittskarte in ein neues Leben fernab seiner schottischen Heimat.
    »Willkommen auf der Pequod «, hatte ihn Malcolm Simon begrüßt und gegrinst.
    Natürlich hatte Colin Darcy eingeschlagen.
    Er hatte sein Ziel erreicht. Er war im Zenit der ökonomischen Welt angelangt. Außerdem pflegte der Lehrstuhl die Zusammenarbeit mit einem Institut, das in der Unternehmensberatung tätig war, und der Kontakt von Theorie zu Praxis war genau das, wonach Colin gesucht hatte. Eine Arbeit, die auf Fakten beruhte.
    Ja, er hatte eingeschlagen.
    Er hätte sogar mit Blut unterschrieben, damals.
    Und seit jenem Tag hatte sich sein Leben verändert, eindeutig zum viel, viel Besseren.
    Brücken hinter sich abzubrechen hatte Darcy noch niemals Mühe bereitet. Es war das, was ihm passierte, wenn er das Leben, das er führte, von der Leine ließ.
    Jetzt lebte er in Hampstead Heath, in einem gemütlichen Apartment mit Blick auf den Park, wo er hin und wieder joggen ging (und weitaus öfter nur herumspazierte). Er liebte die kleinen engen Gassen mit ihren alten, an die Zeiten eines Charles Dickens erinnernden Fassaden, an denen sich Efeu und Blumen emporrankten.
    Er besaß einen Flachbildschirm und eine Sammlung von DVDs, die eine ganze Regalreihe vereinnahmte: alle Filme von Alfred Hitchcock, dazu die besten von Howard Hawks, William Wyler, nicht zu vergessen die uralten Streifen mit Cary Grant, Katherinc Hepburn, Eva Marie Saint, .James Stewart, Sean Connery ... und (natürlich!) Michael Caine.
    »Du gehörst in eine andere Zeit, Colin.« Das war Shilas Meinung dazu.
    »Ich weiß.«
    Shila Friedman aus Milton Keynes war Anwältin in der City und das, was man in den alten schwarz-weißen Filmen womöglich als Colin Darcys Verlobte bezeichnet hätte. Sie war diejenige, mit der er sein Leben teilte. Sie mochte die alten Filme zwar nicht, dafür aber mochte sie Colin Darcy. Sie mochte seine dunklen Locken, seinen Hintern, seinen Humor. Was sie nicht mochte, waren seine Koteletten.
    »Sie sind zu buschig«, pflegte sie zu sagen. »Manchmal siehst du aus wie jemand, der in einem Buch von Jane Austen gelebt hat.«
    »Ich mag meine Koteletten«, stellte er fest.
    »Ich nicht«, beharrte sie auf ihrer Meinung.
    »Pech.« Colin Darcy war niemand, der viele Worte verlor. Die braunen Augen konnten kalt sein, wenn es sein musste. Sie waren es nicht oft, aber manchmal.
    Wenn es sein musste.
    Bei Shila musste es manchmal sein, dass sie kalt waren.
    Shila Friedman war Spezialistin für Patentrecht, und das, was es ihr angetan hatte, war die Gentechnologie. »Das unentdeckte Land unserer Zeit«, pflegte sie zu sagen. Sie redete gern über ihre Fälle, sie liebte ihre Arbeit, und sie liebte es noch mehr, die Bedeutung ihrer Tätigkeit für die Kanzlei, für die sie arbeitete, zu beschreiben. Colin Darcy hatte sich schon früh dabei ertappt, dass er, wenn sie ihm von der Kanzlei, den Fällen, dem Lob und der

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