Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fabula

Fabula

Titel: Fabula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
telefonieren war so unwirklich wie die Geschichten, die Helen Darcy ihn hatte erleben lassen. »Ja, sagen Sie ihm das.«
    »Ich soll sagen, dass Sie herkommen, wenn Sie Ihre Angelegenheiten in Schottland erledigt haben?«
    »Nein«, verbesserte sich Colin, »sagen Sie am besten gar nichts. Noch nicht.«
    Livia legte ganz ruhig ihre Hand auf sein Bein.
    »Erzählen Sie mir was über die Konferenz.«
    Der Rover schaukelte über den steinigen Weg, den sie nahmen.
    »Na ja, einige Äußerungen der Referenten waren ziemlich vage. Unter Umständen könnte es in der Öffentlichkeit zu Missverständnissen kommen, höflich formuliert.«
    »Mist!«
    Auch das noch.
    »Wenn Sie mich fragen, dann hat SigmaCom keine so reine Weste, wie sie zu haben vorgeben. Naja, es war nur so ein Gefühl, das ich hatte, aber wenn es anderen Zuschauern ähnlich geht, dann könnte es bald ganz neue Schwierigkeiten geben.«
    Colin stellte sich die typische Presseerklärung vor: Bilder, Musik und aufgeblasene Grafiken über die Geschichte des Unternehmens, die edlen Ziele, eine kurze Dokumentation über die Produktion von Mobiltelefonen. Ganz wichtig: die Erwähnung von Umweltschutzprojekten, die SigmaCom großzügig unterstützt hat.
    »Erinnern Sie sich an die Exxon-Sache?«
    Colin seufzte und murmelte: »Wer nicht?«
    Das Standardbeispicl dafür, wie man es nicht machen sollte. Aufgrund eines Navigationsfehlers war der Öltanker Exxon Valdez im kanadischen Sund auf Grund gelaufen. Aber es war nicht das eigentliche Unglück, das die Krise hervorgerufen hatte, nein, es war das Verhalten der Presseleute in den Stunden danach gewesen. Keiner wusste so recht, was er sagen sollte. Man präsentierte in den Medien Fakten, aber die wollte niemand sehen. Was die Menschen sehen wollten, waren Bilder von schmierigen Ölfilmen auf dem Wasser und sterbenden Tieren.
    »Das hier wird so ähnlich laufen«, meinte Kneer. »Die SigmaCom-Leute präsentieren die Fakten, und die Earth 'n Eco Watchers präsentieren die Emotionen.«
    »Mist«, fluchte Colin erneut. Emotionen waren schlecht.
    Kneer berichtete ihm noch von einigen anderen Neuigkeiten, die Colin aber nur zur Hälfte mitbekam, weil die Landschaft ihm den Atem raubte. Meine Güte, er hatte tatsächlich vergessen, wie schön es hier war. Die Rhinns of Galloway waren ein Paradies, und auf einmal kam es ihm so vor, als habe er gleich alle Erinnerungen aufgeben müssen, um Ravenscraig und seine Mutter zu verdrängen.
    »Wissen Sie was?«, fragte er Kneer.
    »Was?«
    »Es ist schön hier.«
    Eine kurze Pause entstand.
    Dann sagte Kneer: »Geht es Ihnen gut?«
    Colin musste grinsen. »Ja, irgendwie schon.«
    »Das ist schön für Sie«, kam es aus dem Telefon, Dann erkundigte sich Colin nach Arthur.
    Aber es gab nichts Neues.
    Zum Abschluss bat Colin seinen Assistenten, so schnell wie möglich den Musikagenten seines Bruders ausfindig zu machen, um den Kontakt zu Soozie Sutcliffe herzustellen. Er musste mit der Frau seines Bruders reden, vielleicht wusste sie etwas, was Licht in die Sache bringen konnte. Die SigmaCom-Sache, das spürte Colin stärker und stärker, konnte ihm jeden Augenblick ein wenig mehr gestohlen bleiben.
    »Das ist also dein London-Leben«, stellte Livia fest, nachdem er die Verbindung beendet hatte,»Ja.«
    »Klingt schrecklich.«
    »Bisher dachte ich immer, es sei ein gutes Leben.«
    »Das hat sich gestern aber nicht so angehört.«
    »Nein?«
    »Nein.«
    Der Rover rumpelte über eine Anhöhe.
    »Schau, da ist es«, sagte Livia, »kannst du dich erinnern?«
    Colin folgte ihrem Fingerzeig, und dann sah er es: das alte Gemäuer, zu dem der Strand hinführt. Und der Anblick war atemberaubend schön und ließ ihn vergessen, was immer er eben am Telefon gehört hatte.
    Der Leuchtturm von Black Head steht hoch oben auf den Klippen zwischen Portpatrick und Portslogan. Die Wellen berühren sanft den Strand, der ein schmaler Streifen zwischen dem schroffen Stein und dem Wasser ist, das allerlei Treibgut anspült, wie schon seit jeher. Weiter oben, in den Hügeln, steht einsam und verlassen eine Kate, deren Dach beinah den Boden berührt, mit kleinen Fenstern und einer Tür, die, so Livia, aus echtem Treibholz gefertig ist.
    »Lass uns nach Black Head fahren.«
    So hatte es begonnen.
    Das Friedhofsmädchcn hatte ihm das vorgeschlagen, nachdem sie den Teeladen in Stranraer aufgesucht und mit dem Besitzer gesprochen hatten. McGrady konnte sich an Helen Darcy, nicht aber an Danny Darcy erinnern. Es war,

Weitere Kostenlose Bücher