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Fabula

Fabula

Titel: Fabula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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einmal die Geschichte kannte«, erinnerte sich Colin, »dann konnte sie jederzeit und überall lebendig werden.«
    »Das war deine Kindheit?«
    »Ja.«
    »Das ist...«
    Er griff ein anderes Buch heraus. Geschichten aus Tausendundeiner Nacht. Es war ganz zerlesen.
    »Erinnerst du dich an den Film The Bclstone Foa?«
    »Wer tut das nicht?«
    Der Naturfilm erzählte die dramatische Geschichte eines Fuchsjungen, dessen Mutter erschossen und der von einem Jäger aufgezogen wird. Nach Jahren, er lebt mittlerweile in der Wildnis, irgendwo in Yorkshire, wird er von dem Jäger, der ihn einst großgezogen hat, und dessen Gutsherrn gejagt. Der Film war traurig und brutal. Tiere starben, wurden gefressen, eine Hundemeute geriet auf den Bahngleisen vor einen Zug. Man konnte die in Fetzen gerissenen Überreste der Tiere erkennen. Colin hatte wochenlang Albträume gehabt deswegen.
    »Mutter hat es mich erleben lassen. Ich war der Fuchs.« Er wusste, wie verrückt das klang, aber es war das, was ihn an Erinnerungen bestürmte. Es war das, was noch immer da war und nicht fortgehen würde, nein, das würde es nie wirklich tun. »Wenn ich nicht artig war, dann hat sie mir gezeigt, wie es sich anfühlt, der Belstone Fox zu sein.« Er stellte das Buch, das er noch immer in der Hand hielt, ins Regal zurück.
    Livia sah ganz bleich aus.
    »Deswegen habe ich dir das Zimmer gezeigt«, sagte Colin. »Es war ein Gefängnis.«
    Herrje, was redete er da? Das ganze Haus war ein einziges Gefängnis gewesen. Für Colin.
    Danny.
    Und für Archibald Darcy wohl genauso.
    »Lass uns gehen«, schlug er vor.
    Livia hatte nichts dagegen einzuwenden. Und so verließ Colin Darcy an diesem Tag zum allerletzten Mal sein Zimmer in Ravenscraig. Er lugte nur kurz in Dannys Zimmer, das sich gleich neben seinem befand, doch auch da hatte sich nichts verändert. Einzig das Bett sah frisch benutzt aus, aber das war auch schon alles. Ansonsten sprach die Staubschicht auf den Möbeln und den dort gelassenen Gegenständen eine eindeutige Sprache.
    »Danny hat nur seine Gitarre mitgenommen, als er ging«, sagte Colin, »das war alles. Die Gitarre und die Kleider, die er am Leib trug. Alles andere hätte nur Unglück gebracht.«
    Livia nahm ihn bei der Hand. »Lass uns jetzt wirklich gehen«, sagte sie und zog ihn fort von diesem Hort der unliebsamen Erinnerungen. Mit großen Schritten gingen sie den Weg durch all die langen, schattig dunklen und verwinkelten Korridore zurück, bis sie bei der Treppe waren, an deren Fuß Miss Robinson mit gefalteten Händen geduldig wartete.
    »Hat er Ihnen sein Zimmer gezeigt?«, fragte sie Livia, und so, wie sie es sagte, klang es mehr als nur seltsam.
    »Und seine Schallplatten«, antwortete Livia schnippisch.
    »Wie schön.«
    Schweigsam folgten Livia und Colin der alten Dame durch weitere Korridore voller wertvoller Bilder nach draußen, wo es noch immer nieselte.
    Die frische Luft zu atmen tat gut, so unendlich gut, und Colin genoss es, den Regenschleier im Gesicht und im Haar zu spüren. Ein Blick zu Livia zeigte ihm, dass es ihr genauso ging.
    »Auf Wiedersehen«, sagte Miss Robinson zum Abschied, »seid auf der Hut.«
    Weder Colin noch Livia fragten nach, wie sie das meinte.
    Beide wollten sie nur von hier verschwinden.
    So verließen sie Ravenscraig, das hinter den Nieselregenschleiern verschwand und ganz unscharf wurde, und als Colin den Rover die Einfahrt hinunterlenkte, da erzählte Livia ihm von Rio Bravo, und die Erinnerungen kehrten, wie die Melodie der Trompete, ganz langsam zurück.
    fünftes kapitel
    in dem Colin Darcy nach Black Head geht, ein Mexikaner irrtümlicherweise Trompete spielt und Erinnerungen wie Melodien an den Strand gespült werden
    Im Auto schaltete Colin das Radio ein, und die BBC brachte einen Bericht über die Earth 'n Eco Watchers, SigmaCom und die Gefahr, die von einem neuartigen Telefon namens Timephone ausging.
    Colin rief im Büro an und ließ sich mit Kneer verbinden; genau das war die Ablenkung, die er jetzt brauchte.
    »SigmaCom hat die letzte Pressekonferenz vor einer Stunde begonnen. Die haben zwei hübsche Referentinnen an die Front geschickt, die werden die Zuschauer wohl beeindrucken.«
    »Was sagt Randall zu der Sache?«
    »Er will Sie sprechen.«
    Auch das noch!
    »Er will, dass Sie aus Schottland zurückkommen.«
    »Das geht nicht.«
    »Soll ich ihm das so sagen?«
    Colin betrachtete die Landschaft, durch die er den Rover lenkte. Von diesem Ort aus mit dem London-Leben zu

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