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Fabula

Fabula

Titel: Fabula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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sagte, denn es war Livia, die es sagte. Dann, irgendwann, hatten sie beide laut zu lachen begonnen, weil es das Leben einfach erträglicher machte, gerade in Situationen wie dieser. Sie hatten jede Menge Rotwein getrunken, und dann hatte sogar Colin spontan Hurricane und Mozambique mitgesungen, sehr zu Livias Vergnügen.
    Schließlich waren sie beide müde und gingen schlafen.
    Es gab keinen lauten Sex und auch keinen leisen, keinerlei Gespräche, nur eine Decke, unter die sie beide krochen, und Schlaf, der in ihrer beider Augen geträufelt wurde wie flüssiger Sand.
    Livia summte noch die ersten Takte von Whatever will be. will be, doch dann verstummte auch sie. Das leise Lied wurde zu noch leiseren und beruhigend regelmäßigen Atemzügen, die Colin ganz dicht an seinem Körper spürte, als er ebenfalls einschlief.
    Als der Traum von den seltsamen bunten Vögeln mit den Bändern in den Schnäbeln ihn endlich weckte, war schon fast der neue Tag angebrochen, und er wusste sofort, dass dieser Tag einige Dinge ins Rollen bringen würde.
    »Erinnerst du dich an deine Mutter?«, fragte Colin Livia beim Frühstück.
    Nachdenklich strich sie sich Himbeermarmelade auf den Toast. »Nein, gar nicht.«
    »Du hast damals behauptet«, erinnerte er sich, »dass dich dein Name an die Melodien erinnert, die deine Mutter früher gesungen hat.«
    »Sie hat nie für mich gesungen, aber das muss sie auch nicht, damit es stimmt, oder?«
    Colin dachte darüber nach.
    »Als ich vor sieben Jahren zur Beerdigung meines Vaters zurückkam, da habe ich die ganze Zeit über an dich denken müssen.« Er wusste nicht, warum er dies gerade jetzt zur Sprache brachte. »Ich bin seit damals nicht mehr dort gewesen«, dachte er laut nach, »drüben auf dem Galloway Graveyard, meine ich.« Und dann, wie es Gedanken so tun, kam einer ganz plötzlich, als habe er nur darauf gewartet, bei Espresso und Toast mit süßer Himbeermarmelade jemanden anzuspringen. »Vielleicht ist Danny genau dorthin gegangen.«
    »Du glaubst, dass er sich auf dem Friedhof versteckt hält?«
    »Nein, das nicht.« Hatte Madame Redgrave nicht gesagt, dass sie ihn überall finden würde? »Aber vielleicht ist er von dort an einen anderen Ort gegangen.«
    »Du glaubst, dass er in Rio Bravo ist, stimmt's?!«
    »Ja, vielleicht.« Er nippte an dem Espresso, der heiß und bitter war.
    Livia redete nicht lange um den heißen Brei herum. »Wenn du nach Rio Bravo gehst, dann komme ich mit.«
    Er machte den Mund auf, um etwas zu erwidern, aber sie schnitt ihm das Wort ab.
    »Keine Widerrede, ich komme mit.«
    Womit das also geklärt war!
    Irgendwie hatte Colin das Gefühl, als würde es genau dort weitergehen, auf dem Galloway Graveyard, dort, wo es eigentlich erst richtig begonnen hatte, damals, damals, damals, zwischen all den von dichtem und samtigem Moos befallenen und mit verwitterten Inschriften versehenen Grabsteinen.
    Colin erinnerte sich an den Moment, an dem man den Sarg mit der Erinnerung an Alexander Archibald Darcy in die Tiefe gesenkt hatte und die Band dieses beschwingt lustige Lied gespielt hatte. Er hatte nie auf den Text geachtet, selbst damals nicht, und auch heute tat er es nicht. Sein Vater hatte das Stück geliebt, aus einem Grund, nach dem ihn jetzt niemand mehr fragen konnte, und Mr. Peabody, der Anwalt und Notar der Familie, hatte es ihnen zur Auflage gemacht, das Lied bei der Beerdigung spielen zu lassen.
    »Ich hatte an diesem Tag das Gefühl, als wärst du wieder bei mir.« Er hatte es damals nur für das Echo einer Erinnerung gehalten. Mehr als eine Ewigkeit war es her gewesen, dass er Livia zum letzten Mal gesehen hatte, mehr als fünfzehn Jahre, in denen man normalerweise die Gesichter der Menschen, die einem einmal wichtig gewesen waren, vergaß. Doch Colin hatte sie nie vergessen.
    Jetzt wusste er, dass sie in der Menge gestanden und zugesehen hatte, wie Danny und er neben Helen Darcy und Miss Robinson und Mr. Munro am Grab gestanden und die Tränen zurückgehalten hatten.
    »Warum hast du dich nicht zu erkennen gegeben?«
    »Ich hatte Angst, dass du dich nicht mehr an mich erinnerst«, sagte sie und schaute zum Fenster hinaus. »Außerdem hatte ich noch immer Angst vor deiner Mutter. Diese Sache, die sie mir damals angetan hat ...« Sie warf Colin einen Blick zu, der besagte, dass nichts von alledem je in Vergessenheit geraten würde. »Sie hat es wirklich getan, das, woran ich mich erinnern kann.«
    Colin nickte.
    »Wenn sie wirklich im Mond ist, dann

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