Facetten der Lust
das her?«
Nathan hob den Kopf und versuchte ein Lächeln. »Ich bin einhundertunddrei Jahre alt.«
Sara schluckte krampfhaft. Langsam überstiegen die Ereignisse der Nacht ihren Horizont. Hinter ihren Schläfen pochte ein leichter Schmerz.
»Das war nicht, was ich wissen wollte. Wie lange quälst du dich schon mit dieser Schuld?«
»Vierundachtzig Jahre. Ich hatte mich für das Leben entschieden, wohl wissend, dass die Wollust eines Dämons in der Menschenwelt nicht zu stillen ist. Dass ich sie damit töten würde, wusste ich nicht.«
Sara hob ängstlich die Augenbrauen. »Wollust?«
Er stand auf und wickelte sie in ein flauschiges Handtuch. »Drücken wir es mal so aus: Ich bin sehr potent.«
»Was soll das jetzt heißen?«
Nathan schmunzelte, doch das Lächeln erreichte seine Augen nicht.
»Du kannst mich nicht ständig mit Halbwissen abspeisen. Wie oft brauchst du es?«
»Sechs, sieben Mal.« Sara keuchte. »Die Nacht«, fügte er tonlos hinzu.
Ihr wurde schwindlig. Erschöpft sank sie in seine Arme, da ihre Beine sie nicht mehr trugen. An seine Brust geschmiegt, begann sie zu weinen.
»Ich weiß nicht, wie ich es ertragen soll, dich zu teilen«, flüsterte sie.
Nathan streichelte sanft über ihren Rücken. Ihre Befürchtungen waren unbegründet. Nie wieder konnte er seine Gier an einem anderen Körper stillen.
Er war auf jede erdenkliche Weise an sie gebunden. Noch wusste er nicht, wie sie damit klarkommen würden.
Sara zitterte in seiner Umarmung. Nach allem, was sie heute Nacht erlebt hatte, musste sie müde und erschöpft sein.
Nathan trug sie behutsam ins Schlafzimmer zurück und legte sie aufs Bett. In seinen Armen schlief sie augenblicklich ein. Ihre Atmung ging ruhig und gleichmäßig.
Er bedeckte ihre Stirn mit seiner Hand und schützte ihren Geist. Stundenlang lag er neben ihr und bewachte ihren Schlaf.
Als der Morgen graute, fielen ihm die Augen zu. Er war noch immer satt, seine Gier gestillt. Grenzenloser Frieden erfüllte ihn.
Wie im Märchen
»Bitte Shirley, tu mir den Gefallen«, sagte Chloe bettelnd. Erschöpft lag sie auf ihrem Sofa und redete eindringlich auf ihre Freundin ein. Das gebrochene Bein pochte unablässig unter dem Gips.
»Sei nicht so dumm. Wenn ich jetzt absage, müsste ich sowieso die Kosten übernehmen. So kannst wenigstens du Spaß haben.«
»Was soll ich in einem Fünf-Sterne-Wellnesshotel? Selbst mit dir an meiner Seite würde ich mir wie Aschenputtel vorkommen.«
»Du machst mich mit deinen Selbstzweifeln verrückt. Wann hörst du endlich damit auf? Ich kenne keine Frau, die so geradlinig durchs Leben geht wie du. Deinen Grundsätzen bist du immer treu geblieben. Wieso glaubst du nicht an dich?«
Shirley sah betreten auf ihre Fingernägel. Sie mochte es nicht, wenn Chloe im Recht war. Außerdem, wo hatten ihre Prinzipien, an denen sie so hartnäckig festhielt, sie hingebracht? In ein Diner, mit einem miesen Chef und aufdringlichen Kunden. Ihre Träume hatten anders ausgesehen.
»Du wirst jetzt die Reisetasche und meinen Wagen schnappen und zum Hotel fahren. Ich werde keine achthundert Dollar zum Fester rausschmeißen, weil du Minderwertigkeitskomplexe hast.«
»Hör auf, mich anzuschreien. Ich fahre ja.«
Chloe schickte ein Stoßgebet gen Himmel und lächelte.
»Gut! Und denk daran, dass die Suite auf meinen Namen gebucht ist. Nicht, dass du kleinlaut an der Rezeption stehst und sagst: Ich bin nicht Chloe Westwood, sondern ihre Freundin.«
Shirley sah Chloe böse an. »Dieses Wochenende wird für mich die Hölle.«
»Wird es nicht! Du wirst doch in der Lage sein, ein paar Massagen, Ölbäder und Cocktails zu genießen? Du schuftest Tag für Tag in diesem miesen Diner und lässt dich von Jack schikanieren. Gönn dir was!«
Chloe setzte sich mühsam auf und angelte nach ihren Krücken.
Schwerfällig folgte sie Shirley zur Tür.
»Ich wünsche dir viel Spaß. Lass den Alltag hinter dir und entspann dich. Du musst für mich mitfeiern. Tu nichts, was ich nicht auch tun würde.«
»Ich werde es versuchen.«
»Nimm die Buchungsunterlagen mit!«
Chloe deutete mit dem Kopf auf den kleinen Sekretär neben der Tür.
Shirley nahm die Unterlagen mit einer Leidensmiene, die Chloe zur Raserei brachte. Doch sie biss sich auf die Zunge und zeigte auf die Tasche.
»Und die Reisetasche solltest du auch mitnehmen, wenn du nicht das Wochenende im Bademantel rumlaufen möchtest.«
»Ich will das überhaupt nicht«, jammerte Shirley und umarmte ihre
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