Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
Vom Netzwerk:
ließ. Der Generator war verstummt, und man erriet das Zirpen von Grillen, Fröschen oder Zikaden, das in einem unübersetzbaren, endlosen Morsecode abbrach und wieder einsetzte.
    – Sie wurde im schlechtmöglichsten Augenblick krank, Herr Hauptmann, sagte der Soldat, indem er sein Haar mit langen, ungepflegten Fingern kratzte. Das Geschäft wuchs, wir hatten ein zweites Lager mit noch mehr Mäusen und Küchenschaben und Spinnweben und Kisten als das erste gemietet, hatten Leute angestellt, zahlten die Raten für den neuen Lastwagen ab. Wir arbeiteten zwölf, dreizehn Stunden am Tag, der Alte übertrug mir allmählich die Buchführung im Büro, und ausgerechnet da, stellen Sie sich das vor, lacht sie sich eine Thrombose an.
    Der Maler drehte sich im Bett auf die Seite, um ihm den Hals zu küssen (Drei Scheine, das ist fast der Preis für das Kleid, das du im Schaufenster neben der Schule immer mit den Blicken verschlingst), die ebenfalls hinfälligen Sprungfedern der Matratze ließen heftig ihr Metall quietschen, die Deckenlampe erhellte seine
rotblonden Haarsträhnen (Ich laß ihn das Ding machen, laß ihn sich noch ein bißchen amüsieren, und dann gehe ich), der Fahrer setzte sich auf dem Sitz zurecht, zeigte mit dem riesigen Daumen (an dieser Hand fehlten ihm zwei Finger) auf die Tür des Krankenhauses und tat mit einer Stimme, die wie ein dicker Stein einen Hügel hinunterrollte, kund:
    – Ärzte sind ausnahmslos alle Hurensöhne.
    – Was sollte aus dem Mädchen schon werden, Herr Hauptmann, das seine Jugend auf dem Rücksitz eines Fiats verbracht hat? sagte der Leutnant.
    Sie stapelten sich im Auto und hielten dabei die Alte fest, die kraftlos hin und her tanzte und wäßrige Kotze über sie erbrach, und meine Schultern berührten hin und wieder deine, meine Knie lehnten sich in den Kurven an deine, an den Rock, deine Hüfte rieb sich an meiner, und die Straßen der Lissabonner Nacht zogen sich eine aus der anderen wie die Rohre eines Fernglases, Pappfassaden, gespenstische Hauseingänge, leere Plätze, eine blutige Morgenröte am ungleichen Profil der Dächer. Die Kälte, die dem Tag voranging, strich ihnen wie ein Rasiermesser über den Rücken, stach mit Hunderten kleiner eisiger Stilette durch die dicken Kleider.
    – Ich will mit den Ärschen nichts zu tun haben, erklärte der Fahrer dem Onkel, indem er dem Lenkrad einige heftige Hiebe versetzte. Wenn jemand bei mir zu Hause krank wird, mein Freund, dann behandeln wir ihn mit Kräutertees.
    Bald ist es Tag, dachte der Soldat, die Schatten werden sich verflüchtigen und die Gebäude zwingen, aus dem Dunkel hervorzutreten wie die Felsen aus der Ebbe, Wecker aus Blech spritzen wie von einem unvermittelten Messer brutal zerschnittene Arterien, das Licht der Laterne verlischt langsam, und ein unentschlossenes Grau, ein Nebel aus Müdigkeit, eine plötzliche, reine, farblose Deutlichkeit läßt die Zweige größer werden, legt an den Fassaden vergessene Einzelheiten frei, verwandelt die Schilder in Worte, die schreien und brennen, wenn wir sie ansehen.
Odetes zerknautschtes, an die Scheibe gepreßtes Gesicht schaute ohne Interesse auf das Erblassen der Laternen, den Glanz der Straßenbahnschienen, die Männer mit den gelben Gummiwesten, die mit Hilfe von langen, sich unendlich auf dem Asphalt entrollenden und einrollenden, von den Autoreifen mit einem kleinen ungeschickten Entenwackeln getroffenen Schläuchen die Straße wuschen. Bald ist Tag, dachte der Soldat, während er sich eine Zigarette anzündete, das Buschwerk des Dschungels bewegt sich leicht, der Funkoffizier rollt in der Hocke das Zelttuch ein, die Blätter sondern durchsichtigen Feuchtigkeitsschweiß ab, der Neger wird auf seiner Bastmatte aufwachen und für uns drei Kaffee kochen, der Maler, der wach ist, läßt seine langsamen weichen Frauenhände erneut über meinen Körper gleiten.
    – Und könnten wir vielleicht erfahren, wo der Herr zu schlafen pflegt? fragte der Onkel, der, schon angezogen, das Rasiermesser in der Hand, die eine Hälfte des Kinns rasiert, die andere Hälfte noch nicht rasiert hatte, als er auf der Diele mit einem unheilverkündenden kleinen Lächeln im Seifenschaum vor ihm stand.
    – Kräutertees, das bringt’s, wiederholte der Fahrer kategorisch und überzeugt. Sonnenblumensamen, Mandelbutter, medizinisches Essen, Scheiße, reines Essen.
    Und mit einem Schrei, als würde er in alle vier Himmelsrichtungen ein ungeheures Geheimnis preisgeben:
    – Ich fürchte mich

Weitere Kostenlose Bücher