Fächerkalt
undefinierbaren Alters mit wettergegerbtem Gesicht,
in Waldarbeiterkleidung und mit einer schwarzen Zipfelmütze auf dem Kopf kletterte
auf das Trittbrett hinaus, schaute missbilligend auf das Karlsruher Autokennzeichen
und rief: »Ich fahr z’rück, sonst landet ihr zwei Flachlandtiroler doch noch im
Bach.«
Zaghaft
hob Lindt die Hand, um sich zu bedanken, aber da war der Schlepper bereits im Rückwärtsgang
bergauf um die nächste Biegung verschwunden.
An einer
Ausweichstelle wartete der Gegenverkehr. »Wollt ihr zu dem Alten hoch?«, kam aus
dem geöffneten Fenster.
Dem Kommissar
saß der Schreck noch in sämtlichen Knochen. Er nickte bloß.
»Zurzeit
ist der gar net gut druff. Passet auf, dass er euch net mit einer Ladung Schrot
empfängt. Auf jeden Fall am Waldrand warten und hupen. Bei Autos, die er net kennt,
kann sonst sein, er schießt gleich.« Der Mann tippte an seine Zipfelmütze.
»Dachschaden?«,
fragte Lindt.
»Aber voll!«
Der Unimog rasselte talwärts davon.
Die Kommissare
schauten sich an. Sie waren ziemlich bleich im Gesicht.
»Einen späten
Feierabend hast du mir ja prophezeit, Oskar, aber den würd’ ich gern auch erleben.«
Lindt fuhr
zaghaft weiter. Wesentlich achtsamer als zuvor nahm er Kurve um Kurve. Die ständig
ansteigende Straße schien kein Ende zu nehmen. »Ich überleg mir grad, wie es hier
in ein paar Wochen aussieht«, rollte er mit den Augen. »Bei Glatteis und Schnee
sicherlich eine Höllenfahrt. Wer da ins Rutschen kommt, hat nur die Wahl zwischen
Baum und Bach.«
Paul Wellmann
mochte sich eine solche Situation lieber nicht vorstellen. »Gleich kommt der Bretterzaun«,
moserte er.
»Was für
ein Zaun?«
»Mit der
Aufschrift ›Ende der Welt‹.«
Auch Lindts
Stimmung tendierte gegen den Nullpunkt. »Wir hätten ihn doch besser zu uns nach
Karlsruhe bestellt.«
»Oskar,
der wär’ garantiert nicht gekommen.«
»Also freuen
wir uns darauf, den Herrn Stahlfabrikanten Eduard von Villing in seiner Waldabgeschiedenheit
kennenzulernen. Wir sind bestimmt gleich da. Dort vorne wird’s heller.«
Tatsächlich
hatte die nervenaufreibende Fahrt auf dem schmalen Sträßchen ein Ende. Vor ihnen
lag eine weitläufige offene Hochebene mit saftig grünen Wiesen, darin eingebettet
ein malerischer Schwarzwaldhof.
»Wie auf
einer Kitschpostkarte«, meinte Oskar Lindt.
»Ich bin
echt gespannt, den kennenzulernen, der hier wohnt«, runzelte Paul Wellmann die Stirn.
»Eher, was
für einen Empfang er uns bereitet«, sagte Lindt und zeigte nach vorn. Direkt am
Waldrand standen zwei Sperrschilder, auf jeder Wegseite eines. Mit ›Privatweg‹ war
eine weiße Zusatztafel beschriftet.
»Die Schranke
ist ja zum Glück offen.« Die Kommissare betrachteten die Sperranlage. Links und
rechts des Schlagbaums verhinderten tonnenschwere Steinblöcke ein Umfahren. »Hupen
hat der Waldarbeiter gesagt.«
Lindt tat,
wie geheißen, und drückte dreimal. Nichts geschah. Minutenlang warteten sie.
»Und nun?«
»Noch mal?«
Er kam nicht
mehr dazu, denn ein Knall ließ sie zusammenfahren. Blitzartig drehten sie sich um.
Ein Mann stand hinten neben dem Dienstwagen und holte gerade aus, um zum zweiten
Mal mit der flachen Hand auf das Blech zu klatschen.
»Halt«,
schrie Lindt, riss die Tür auf und sprang wie von der Tarantel gestochen hinaus.
»So kommt’s,
wenn man nur nach vorne schaut.« Ein grün gekleideter, hochgewachsener Mann mit
schlohweißem Vollbart und stechendem Blick aus dunklen Augen trat näher. Sein Jagdgewehr
hatte er so umgehängt, dass die Laufmündung direkt auf den Kommissar zielte. Lindt
stand wie festgenagelt. Unfähig, auch nur einen Ton von sich zu geben, starrte er
wie hypnotisiert auf die Waffe.
Nach endlosen
Sekunden hob der Mann mit einem höhnischen Lächeln das Gewehr etwas an.
»Angst?«
Mit zusammengekniffenen Augen musterte er den Kommissar. »Ich kenn Sie doch!« Prüfend
schaute er ihn von oben bis unten an. »Damals waren Sie noch nicht so fett.«
Lindt lief
dunkelrot an und holte tief Luft. Er entgegnete nichts, zückte stattdessen seinen
Dienstausweis. »Kripo Karlsruhe. Herr von Villing, wir möchten Sie bitten, uns ein
paar Fragen zu beantworten.«
»So, so«,
höhnte der Alte und hob eine Hand. Sein rauhaariger Vorstehhund gehorchte sofort
und legte sich flach neben ihn auf den Boden. »Das letzte Mal wollten Sie mich einsperren,
wenn ich mich recht erinnere.« Dann lehnte er seine Büchse gegen einen Baum und
ließ mit mühelosem Schwung seinen
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