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Fächerkalt

Fächerkalt

Titel: Fächerkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Leix
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denn häufig hier?«
    »Ein paarmal
im Jahr. Meistens, wenn’s da unten zu heiß war, oder wenn dort wochenlang der Nebel
drückte.«
    »Und Sie,
wie oft fahren Sie hinunter?«
    Von Villing
wurde laut: »Wieso fragen Sie das? Wurde meine Schwester etwa …?«
    Lindt hob
beschwichtigend die Hand. »Wir wissen noch nicht, ob sie eines unnatürlichen Todes
gestorben ist. Die Obduktionsergebnisse werden aber bald vorliegen.«
    Der Alte
beruhigte sich überhaupt nicht. »Soll das etwa heißen, Sie verdächtigen mich schon
wieder? Denken Sie, ich hätte meine eigene Schwester umgebracht?« Es kostete ihn
große Mühe, sich zu beherrschen.
    Lindt holte
Pfeife und Tabak aus seiner Jacke. »Gestatten Sie?«
    Unwirsch
nickte von Villing, griff nach seiner Lodenjoppe, förderte daraus ein ledernes Zigarrenetui
zutage und hielt es den Kommissaren hin. »Bitte, wenn Sie möchten.«
    Wellmann
lehnte dankend ab, Lindt hingegen zog eine dunkle Corona aus ihrer Hülle, ließ sie
durch seine Finger gleiten und hielt sie sich unter die Nase. »So was gibt’s nicht
an jeder Ecke.«
    »Costa Rica,
lass ich schicken, direkt vom Importeur.« Der Alte nahm ebenfalls eine Zigarre aus
dem Etui und schnitt sie zurecht, dann schob er Schere und Streichholzschachtel
über den Tisch.
    Als feiner
Rauch in den klaren Herbsthimmel stieg, war wieder Ruhe eingekehrt, genau so, wie
Lindt es wollte.
    »Fehlt Ihnen
die Stadt nicht, hier oben in der Einsamkeit?«, wollte Paul Wellmann wissen.
    »Ich kenne
die Menschen und genau deswegen bin ich hier. Über 30 Jahre habe ich das Stahlwerk
persönlich geleitet, fast 2.000 Mitarbeiter, Umsätze von zig Millionen. Sie können
sich vorstellen, was das bedeutet. Ärger, Ärger, Ärger. Irgendwann war Schluss.
Ich hab gute Geschäftsführer eingesetzt und mich hierher zurückgezogen.«
    »Ohne Kontrolle
über das Werk?«
    »Keinesfalls.
Ich bekomme täglich Berichte, halte Videokonferenzen ab und kann jederzeit auf die
EDV zugreifen, um Auswertungen zu fahren und die wichtigsten Kennzahlen abzurufen.«
    Der Alte
fing Wellmanns erstaunten Blick auf. »Standleitung. Neun Kilometer bis zum nächsten
Knoten. Nicht ganz billig, aber sehr effektiv.«
    »Unglaublich.
Konzernsteuerung aus der Einöde.«
    »Ich habe
hier alles.« Er zeigte zum erlegten Reh am Kirschbaum. »Der Wald ernährt mich. Was
ich sonst noch brauche, hat der Großholzer auf seinem Hof oder ich lasse es mir
bringen. Selten, dass ich mehr als einmal im Monat von hier wegfahre.«
    »Ab und
zu auch nach Karlsruhe?«
    »Fangen
Sie schon wieder damit an?«, empörte sich von Villing, allerdings nicht mehr so
lautstark wie zuvor.
    Lindt legte
seine Zigarre in den Aschenbecher. »Wir haben keine andere Wahl, denn vom Leben
Ihrer Schwester wissen wir bisher so gut wie nichts.«
    Der Alte
lehnte sich zurück. »Sie hat nicht viel Glück gehabt in ihrem Leben. Der Stoll,
also ihr Mann, der hatte einen Unfall. Tot. Ich hab ihm keine Träne nachgeweint.
War kein Mann – arbeitsscheu und ohne Biss, zu weich eben.«
    »Ist sie
drüber weggekommen?«
    »Hat sich
nicht viel anmerken lassen. Ich glaub’, irgendwann war sie dann eher erleichtert.«
    »Danach?«
    »Was meinen
Sie? Andere Männer?«
    Lindt nickte.
    »Keine Ahnung.
Hier oben war keiner. Ich hab nicht gefragt und sie hat nichts gesagt.«
    »Also ging
es ziemlich schweigsam zu, wenn Ihre Schwester zu Besuch war.«
    »Wir haben
noch nie unnötig geredet.«
    »Auch nicht
über den Antiquitätenhandel?«
    Das erste
Mal lachte von Villing. »Sie glauben nicht im Ernst, dass man damit auf einen grünen
Zweig kommen kann. Sie hat die Höfe abgeklappert, ab und zu eine wurmstichige Truhe
in ihren Wagen geladen und in Knielingen aufgemöbelt. Das war Beschäftigungstherapie,
sonst nichts. Oder haben Sie dort etwa ein richtig wertvolles Stück gefunden?«
    Lindt ignorierte
Gegenfragen bei Vernehmungen eigentlich grundsätzlich. In diesem Fall entschied
er sich anders. »Das Anwesen war leer. Vollkommen leer.«
    Der Alte
schien nicht zu begreifen. »Was heißt leer? Leer gibt es ja gar nicht. Sie hatte
doch immer einige …«
    »Haus, Werkstatt,
Scheune, alles blank – nicht einmal ein Mülleimer stand im Hof.«
    Von Villing
bekam den Mund nicht mehr zu. »Muss ich sehen, das muss ich sehen«, stammelte er.
»Sofort!«
    »Die Spurensicherung
arbeitet noch«, wehrte Lindt ab.
    »Nein, nein,
ich muss …«
    »Morgen,
frühestens.«
    »Um acht
bin ich da.«
    Die Kommissare
erhoben sich. Lindt reichte dem Alten

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