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Fächerkalt

Fächerkalt

Titel: Fächerkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Leix
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Sternberg.
    Lindt fühlte
die Nässe seines Kollegen bis hinunter zu seinem eigenen Hosenbund.
    Dann schwiegen
sie wieder. Sie schwiegen. Sie froren. Sie zitterten. Sie bebten.
    Sternberg
riss sich zusammen. »Wir dürfen nicht einschlafen, Chef. Der Schlaf bringt uns um.
Aufstehen, wir müssen uns bewegen.«
    Lindt ächzte,
als sie sich aneinander hochstemmten. »Gymnastik, oder was?«
    »Hier liegt
ein handlicher Stein. Mit dem hämmern wir an die Tür.«
    Sternberg
versuchte es als Erster. Bumm – bumm – bumm. Bumm – bumm – bumm.
    Der Kommissar
hielt sich die Ohren zu. »Das dröhnt ja furchtbar.«
    »Egal. Hauptsache,
wir schlafen nicht ein.« Er donnerte weiter. Immer dreimal, kurze Pause, und erneut
dreimal.
    Nach einer
Weile löste Lindt ihn ab. Zehn Minuten lang schlug der auf die Tür ein, bevor er
den Stein zurückgab.
    Sternberg
legte wieder los. Fast eine halbe Stunde, bis der Kommissar ihm auf die Schulter
tippte. »Vielleicht schaffst du es, das Schloss wegzuschlagen?«
    Jans Finger
glitten über das viereckige, angeschraubte Metallgehäuse. »Chef, da sind bereits
einige tiefe Macken drin. Das hat anscheinend schon mal jemand versucht.«
    »Wir müssen
es trotzdem probieren.«
    Sternberg
nickte stumm und haute mit voller Wucht auf den eisernen Kasten. Minutenlang drosch
er darauf ein, völlig ohne Erfolg. Das alte Teil war aus derart stabilem Material
gefertigt, dass es den Schlägen widerstand, ohne auch nur einen einzigen Millimeter
nachzugeben. Stöhnend hielt er inne.
    »Lass mich
mal.« Lindt nahm den Stein und bearbeitete das Schloss mit seiner ganzen Kraft.
Er schaffte es nicht einmal halb so lange wie sein Mitarbeiter, dann musste er pausieren.
    Sternberg
übernahm von Neuem. Immer wieder lösten sie sich ab, zehnmal, zwanzigmal, ehe Lindt
schließlich völlig erschöpft resigniert aufgab und in die Hocke ging. »Immerhin
ist es mir jetzt ein halbes Grad wärmer.«
    »Die müssen
uns doch suchen, Chef. Bestimmt suchen die nach uns.«
    »Heute am
Freitag?« Lindt wusste, dass er das besser nicht hätte sagen sollen, er konnte dennoch
nicht anders. »Du hast bei der Besprechung selbst gehört, dass alle endlich mal
rechtzeitig nach Hause wollen.«
    »Paul aber
nicht, bestimmt nicht. Wenn der uns anrufen will und keiner sich meldet …«
    »Paul weiß,
dass wir hier kein Netz haben. Der sitzt längst in seinem Bienenhaus und füttert
Zucker für den Winter.«
    »Hmm, sein
Honig. Wenn ich es mir fest vorstelle, kann ich die Süße auf der Zunge schmecken.«
    Eine ganze
Weile war Stille. Diesmal begann Lindt. »Eine Bockwurst, oder eine einfache, total
gewöhnliche Nürnberger. Wenn man da reinbeißt. Der erste Bissen. Himmlisch, wie
das schmeckt.« Er machte eine kleine Pause. »Und wie das Fett aufs Hemd spritzt.
Und wie Carla dann schimpft.« Eine Träne rann über seine Wange. »Sie hat mich noch
gewarnt. Sie hat nur einmal seine Augen gesehen und wusste gleich Bescheid. Der
ist zu allem fähig, hat sie ein paarmal gesagt. Seid bloß vorsichtig.«
    »Ja, die
Eigensicherung«, murmelte Jan. »Erst im letzten Seminar haben sie es uns wieder
gepredigt. Eigensicherung hat oberste Priorität.«
    »Ich hätte
es wissen müssen«, unterdrückte Lindt ein Schluchzen. »Wenn er diese Frauen wirklich
umgebracht hat, gibt es für ihn nichts zu verlieren. Aber dass er einen Revolver
unterm Tisch …«
    »Er hat
uns erwartet. Und wir sind ihm voll in die Falle getappt.«
    »Warum haben
wir diesen Satan bloß gehen lassen, als wir ihn in unserer Falle hatten?«, ereiferte
sich der Kommissar. »Mit der Tatwaffe in der Hand – und wir lassen ihn laufen.«
    »Zu spät,
Chef. Es ist es zu spät. Viel zu spät, um aus unseren Fehlern zu lernen.«
    Erneut kehrte
Stille ein. Lindt schaute auf die Uhr. Die Leuchtziffern zeigten bereits halb sechs.
Die Nacht war hereingebrochen. Durch das Schlüsselloch kam nicht einmal mehr der
geringste Schimmer. Aussichtslos, weiterzuklopfen. Selbst die Minimalchance auf
einen Pilzsammler, der sie hören könnte, gab es um diese Zeit nicht. Vielleicht
morgen früh – vielleicht –, wenn sie bis dahin noch am Leben waren.
    »Chef«,
sagte Jan Sternberg plötzlich. »Chef, was haben Sie eigentlich damit gemeint?«
    »Womit?«
    »Da auf
dem Hof, in der Gaststube, als Sie gesagt haben, hier fehlt was.«
    »Ach das
… Ach, weißt du, in allen Schwarzwaldhöfen gibt es in der Stube eine Ecke, da hängt
ein Kruzifix. Ein Kreuz und ein paar andere religiöse Sachen.

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