Fächerkalt
duckte sich instinktiv. Er hörte das Geschoss unmittelbar neben seinem
Ohr vorbeipfeifen. Das zweite traf ihn in die Schulter. Im nächsten Moment raste
der schwere Geländewagen davon. Vier hinterher gefeuerte Schüsse trafen das Heck
des Range Rovers, konnten die Weiterfahrt jedoch nicht stoppen.
Die Versorgung
des angeschossenen Beamten hatte selbstverständlich Priorität und so dauerte es
über eine Viertelstunde, bis die nächste Streife auf einem weiter südlich gelegenen
Autobahnparkplatz eintraf, wo das Ortungssystem den haltenden Range Rover lokalisiert
hatte.
Natürlich
war das Fahrzeug leer und nur dank eines aufmerksamen LKW-Fahrers wusste die Polizei,
in welcher Richtung gesucht werden musste: Er hatte beobachtet, wie ein alter Mann
aus dem Geländewagen gestiegen und mit seinem Hund zum Gassi gehen in den angrenzend
Wald geschlendert war.
Der Rentner, der ohnmächtig unter
den Bäumen seiner Obstwiese gelegen hatte, konnte erst in der Dämmerung das Bewusstsein
wiedererlangen und brauchte eine halbe Stunde, um noch ziemlich benommen zu Fuß
das Dorf zu erreichen. Dort glaubte man ihm erst nicht, dass er von einem Spaziergänger
mit Hund niedergeschlagen und seines Autos beraubt worden war, denn sein schwankender
Gang und der Geruch nach Apfelmost erzählten eine andere Geschichte.
Erst die
Beule am Hinterkopf und der über dem nahen Wald kreisende Polizeihubschrauber brachten
den Sohn des Rentners schließlich dazu, die Nummer des Polizeireviers Singen zu
wählen. Unterdessen hatte Eduard von Villing einen gewaltigen Vorsprung und durchquerte
gerade die Schweiz auf der Suche nach einer günstigen Gelegenheit, den Opel des
Rentners aus dem Hegau loszuwerden und seine Flucht auf andere Art fortzusetzen.
Den Weg zu seinem Ziel kannte er sehr genau.
Bei dem Hof im Schwarzwald hatte
sich mittlerweile eine ganze Armada von Polizeifahrzeugen versammelt. Zwei Diensthundeführer
ließen ihre belgischen Schäferhunde an den Jacken von Lindt und Wellmann Witterung
aufnehmen. Die Hunde zeigten jedoch nur zwischen Haus, Schuppen und Oskar Lindts
Dienstwagen Interesse an Spuren. Erst als sie in der Stube erneut frisch angesetzt
wurden, zogen sie die Hundeführer bis nach oben auf den leeren Heuboden. Die Reifenspuren
des Geländewagens ließen die Zusammenhänge schnell klar werden.
In einem
Kastenwagen der Ortenau-Polizei war bereits ein mobiles Lagezentrum eingerichtet
worden und dank des ausfahrbaren Funkmasts gelang es, das von Paul Wellmann gemailte
Bewegungsprofil des Range Rovers direkt auf einem der Laptops zu empfangen.
Entsetzt
stellte die Einsatzleitung fest, dass der Wagen einen Weg genommen hatte, der bis
zur nächsten halbwegs festen Waldstraße fünf Kilometer durch tiefsten Tann führte
und von keinem ihrer momentan verfügbaren Fahrzeuge befahren werden konnte. Die
Wolfacher Streifenbesatzung machte sich umgehend auf zum nahegelegenen Großholzer-Hof,
um den Bauer nebst seinem Forst-Unimog zu ordern.
In der Zwischenzeit
waren bereits Hundeführer losgeschickt worden, um den Weg sowohl vom oberen, als
auch vom unteren Ende her zu Fuß abzugehen. Die Einsatzleitung kalkulierte, dass
sich die Suchhunde spätestens nach einer Stunde auf halbem Wege treffen müssten.
Der Unimog sollte wegen der schlechten Geländeverhältnisse erst nachkommen, wenn
er benötigt würde.
Die Hubschrauberunterstützung
mit Wärmebildkamera brachte keinerlei Ergebnisse, sodass das Schlimmste befürchtet
werden musste. »Der Geländewagen wurde auf einem Autobahnparkplatz kurz vor Singen
gefunden«, verkündete der Einsatzleiter.
»Weißt du,
was das heißt?«, raunte ein im Dienst ergrauter Beamter des Polizeipostens Wolfach
seinem Streifenwagenpartner zu. »Irgendwo zwischen hier und Singen liegen unsere
Kollegen mit Kopfschuss im Straßengraben.«
Die Nerven
der Einsatzkräfte waren zum Zerreißen gespannt. Das war keine der üblichen Personensuchen.
Kein verirrter Wanderer und keine Oma, die aus dem Altersheim verschwunden war.
Hier ging es um zwei Polizeikollegen, die in akuter Lebensgefahr schwebten. Oder
waren sie schon …?
Die Zeit
zog sich – zäh wie Kaugummi – ohne Ergebnis. Je länger es dauerte, umso mehr beschlich
die Verantwortlichen das Gefühl, diese Suche würde kein gutes Ende nehmen. Ihre
Gesichtszüge versteinerten sich mehr und mehr.
Endlich! Gegen 19.45 Uhr zog einer
der Schäferhunde seinen Führer von dem matschigen steilen Forstweg den Hang hinauf
auf einen schmalen
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