Fächerkalt
Pfad. »Pfui! Reh!«, kommandierte der Beamte, der davon ausging,
der Hund folgte einer Wildspur. Der Hund verweigerte den Gehorsam, zog am langen
Riemen bergan, tauchte fünf Minuten später zwischen mehreren kleinen Fichten durch
und gab dahinter Laut. Fassungslos stand der Hundeführer vor dem verschlossenen
Stolleneingang. Er rief, trommelte und schlug schließlich mit einem Stein dagegen,
doch er erhielt keine Antwort. Die Zeit schien endlos, bis von drinnen ein leises
Rufen ertönte.
»Wir brauchen
schweres Gerät, am besten eine große Flex oder einen Schneidbrenner«, schrie der
Hundeführer in seinen Funk. »Massives Eisentor, altes Bergwerk.« Dann rief er zum
Schlüsselloch hinein: »Durchhalten, wir holen euch raus!«
Jetzt kam
endlich der Großholzer-Bauer mit seinem Forst-Unimog zum Einsatz. Ein Rüstwagen
der Feuerwehr, ebenfalls auf Unimog-Fahrgestell, folgte ihm. Der steile Forstweg
war so weich und rutschig, dass auf beiden Fahrzeugen unterwegs Ketten montiert
werden mussten, um ein Abrutschen zu vermeiden. Endlich, nach einer knappen Dreiviertelstunde,
brummte vor dem ehemaligen Silberbergwerk ein Stromaggregat, zwei Flutlichtstrahler
flammten auf und kreischend fraß sich die Trennscheibe einer motorbetriebenen Flex
durch den Schließbolzen des Eisentores.
Den Feuerwehrmännern
bot sich ein schockierendes Bild: Zwei zusammengesunkene Gestalten, bewegungslos,
die eine mit blutüberströmtem Kopf, die andere völlig durchnässt, saßen eng aneinandergedrückt
auf dem kalten Granit. Wie viel Leben steckte noch in ihnen?
»Hallo?«
Ganz zaghaft
bewegten sich die Köpfe.
»Sie leben!«
Die Meldung ging sofort über Funk.
»Verbandskasten!
Tragen! Decken!« Die Kommandos hallten durch den finsteren Wald.
Oskar Lindt
und Jan Sternberg waren kaum ansprechbar, stark unterkühlt und ihre Beine versagten
den Dienst.
17
Im Polizeipräsidium Karlsruhe sprach
sich die Suche nach Lindt und Sternberg wie ein Lauffeuer herum. Paul Wellmann hatte
als Erstes Carla Lindt und Jan Sternbergs Frau Ilona benachrichtigt, die sofort
zu ihm ins Büro geeilt waren. Neben Staatsanwalt Conradi und dem Leiter der Kriminalpolizei,
die beide noch an ihren Schreibtischen erreicht werden konnten, fanden sich immer
mehr Kollegen ein. Auch eine Polizeipsychologin war geholt worden, die sich um die
Ehefrauen kümmerte.
Das bange
Warten wurde unerträglich. Endlich kam der Funkspruch des Hundeführers. Qualvoll
zog sich die Zeit in die Länge, bis die Rettungskräfte schließlich den abgelegenen
Einsatzort erreichten. »Das gibt’s doch gar nicht, so lange wie das dauert«, empörte
sich der Staatsanwalt. Paul Wellmann beschwichtigte, so gut es ging – er kannte
die endlosen Wälder ja bereits aus eigener Erfahrung.
Unglaubliche
Freude kam auf und Jubel brandete durch den alten Sandsteinbau, als die erlösende
Nachricht von der Rettung eintraf. Carla und Ilona lagen sich in den Armen und ließen
ihren Tränen freien Lauf.
»Sie sind
am Leben«, tönte es aus dem Funkgerät.
»Wohlauf?«,
funkte Wellmann zurück.
Die Antwort
ließ etwas auf sich warten. Der Einsatzleiter musste offensichtlich erst eine geeignete
Formulierung finden. »Den Umständen entsprechend«, gab er durch. »Sie werden ins
Krankenhaus nach Wolfach gebracht.«
»Wir kommen
sofort.« Paul Wellmann schaute zu Carla Lindt und Ilona Sternberg.
»Natürlich«,
riefen sie wie aus einem Mund.
Wenig später
fuhr der blaue Wagen in Richtung Schwarzwald davon. Die Frauen saßen hinten und
Tilmann Conradi hatte auf dem Beifahrersitz Platz genommen. »Auf jeden Fall fahre
ich mit«, hatte er gesagt.
Bereits eine halbe Stunde nachdem
die Rettungswagen mit Lindt und Sternberg am Krankenhaus Wolfach vorgefahren waren,
traf der Volvo aus Karlsruhe ein.
Der Transport
aus dem Wald hatte nochmals eine enorme Zeit in Anspruch genommen. Nur der Notarzt
und zwei Rettungsassistenten des Hausacher Roten Kreuzes hatten dank ihres robusten
Geländewagens von der Talseite her in die Nähe der Notfallstelle fahren können.
Bereits direkt am Stolleneingang wurden den Opfern vorgewärmte Infusionen angelegt.
Eingehüllt in silberfarbene Wärmeerhaltungsdecken mussten sie in Schleifkorbtragen
geborgen und den Hang hinunter abgeseilt werden. Im kettenbewehrten Feuerwehr-Unimog,
begleitet vom Notarzt, ging der Transport abwärts bis zum Schotterweg, wo die Rettungswagen
mit vorgeheizten Innenräumen bereitstanden. Nach einem ausführlichen Bodycheck und
der Versorgung
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