Fächerkalt
den Jungen knacken.«
»Unverständlich,
dass er schweigt«, überlegte Paul Wellmann. »Was weiß er über seinen Vater? Ist
es ihm überhaupt bekannt, dass er nicht der leibliche Sohn des Alten ist? Welche
Rolle spielte seine Tante Irene Stoll?«
Jan Sternberg
hatte eine Idee: »Wie wäre es, wenn wir nach Verwandten der Ehefrau suchen? Über
sie werden wir bestimmt etwas herausfinden können.«
Der Kommissar
stimmte zu. »Gut, Jan, jeder hinterlässt Spuren. Immer und überall. Klemm dich dahinter.«
Er sah zu Wellmann. »Und wir beide, Paul, wir werden uns erneut als Nussknacker
versuchen.«
»Bruchsal,
Café Achteck?«
»Genau.
Ich hab ihm ja versprochen, wiederzukommen, immer wieder.«
»Kannst du dir erklären«, sinnierte
Lindt während der Fahrt in die Justizvollzugsanstalt, »wieso er sich zuerst gestellt
hat und jetzt plötzlich kein Wort mehr aus ihm herauszubringen ist?«
»Vielleicht
hat er ja einfach einen Schuss, Oskar. Einen gewaltigen Dachschaden. Realitätsverlust
oder so?«
»Mit Studium
in Harvard? Kann ich mir echt nicht vorstellen.«
»Vielleicht
später, als er alles verloren hatte? Ranch weg, Geld weg, Geschäftsführerposten
weg, Vater weg.«
»Und dann
auch noch seine Tante weg, der letzte Anker, an den er sich klammern konnte. Möglicherweise
war das der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.«
»Eine Ansammlung
traumatischer Erlebnisse und als er sie findet, mit dem Strick um den Hals, da haut
es ihm die Sicherung raus. Endgültig.«
Lindt überlegte:
»Und wenn er sie gar nicht im Schrank gefunden hat, sondern ganz woanders?«
»Zum Beispiel
frei baumelnd in der Scheune? Rauf auf die Galerie, Strick um das Geländer und Absprung?«
»Eher nicht.
Das hätte auf jeden Fall einen Genickbruch bewirkt und davon hat die Salzmann nichts
erwähnt.«
»Du hast
recht. Wenn sie sich also an einem anderen Ort aufgehängt hat, dann höchstens so,
dass sie sich auf einen niedrigen Gegenstand gestellt und den weggestoßen hat.«
»Exakt,
so sehe ich das auch. Aber wenn unsere Theorie richtig ist, hätte er sie ja ab-
und im Schrank wieder aufgehängt? Sollte das eine Art Bestattung sein? Und warum
fühlt er sich schuldig?«
Wellmann
hielt sich die Hände an die Schläfen. »Fragen, Fragen, Fragen. Da komm ich nicht
mehr mit.«
Lindt beruhigte
ihn: »Ich ebenfalls nicht, aber steter Tropfen höhlt den Stein, deshalb stellen
wir diese Fragen jetzt im Knast.«
»Wie zufrieden sind Sie mit dem
Service hier?«, wollte Lindt als Erstes wissen.
»Ich tauge
nicht zum Leben auf der Straße«, antwortete der Häftling. »Wer das einmal mitgemacht
hat, fühlt sich selbst hier wie im Paradies.«
»Und wie
steht es um Ihr Gewissen?«
»Es wiegt
schwer, sehr schwer.« Konstantin schaute zu Boden. »Wie ich mit dieser Last leben
soll, weiß ich nicht.«
Lindt und
Wellmann tauschten vielsagende Blicke aus. Ganz klar Theater, waren sie sich sicher.
»Können
Sie uns genau schildern, wie Sie diese scheußliche Tat vollbracht haben?«
Mit tief
traurigen Augen antwortete von Villing: »Sie werden es mir nicht glauben: Ich habe
keine Ahnung.«
Ȇberhaupt
keine Erinnerung?«
»Nichts,
nichts, nichts. Alles weg.«
»Echte Gedächtnislücke?«,
fragte Lindt. »Paul schreib auf: ›Retrograde Amnesie, schockbedingt‹.«
»Machen
Sie sich bloß nicht lustig über mich.« Seine Empörung war schlecht gespielt.
»Niemals
würden wir das wagen. Aber bestimmt schaffen wir es, Ihnen ein wenig auf die Sprünge
zu helfen.«
»Keine Chance!
Was denken Sie, wie oft ich mir selbst schon das Gehirn zermartert habe.«
»Zu welcher
Tageszeit war es denn, als Sie Ihre Tante gefunden haben?«
Von Villing
wurde eifrig: »Nachmittag, ja früher Nachmittag, so drei oder halb vier vielleicht.
Ich war gerade aufgewacht.«
»Hoppla.
Sie sind ja ein echter Langschläfer. Oder hatten Sie eine lange Nacht?«
»Sehen Sie,
selbst davon weiß ich überhaupt nichts mehr. Kopfweh, ja, fürchterliche Schmerzen.
Hier …« Er fuhr sich über den Hinterkopf. »Was vorher war … Keine Ahnung. Bitte,
glauben Sie mir.«
»Paul schreib
auf: ›alkoholbedingt‹ oder halt, wie steht’s mit anderen Drogen?«
Konstantin
von Villing griff an seinen Kopf und zog ein Büschel Haare in die Höhe. »Bitte,
schneiden Sie ab. Ihr Labor wird nichts mehr finden. Früher schon: USA, Studium,
Börsencrash, meinen Sie, das hält man durch, ohne zu koksen?«
»Und als
Sie aus der Firma geflogen sind?«
»Kaum
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