Faeden des Schicksals
Blick böse wirken ließen. Schnell trat sie einige Schritte vom Rand zurück.
„Sind wir nur hier hoch gekommen, um über Abgründe zu philosophieren?“ Mit einem Mal fragte sie sich, warum sie überhaupt mit ihm gegangen war. Sie kannte ihn nicht, wusste nicht, wer er war oder was er war. Sein ganzes Auftreten schien plötzlich bedrohlich.
„Vielleicht .“ Sein Blick nahm einen seltsamen Ausdruck an. Er trat selbst an den Rand und starrte nach unten. „Geht es nicht um die Tiefen deiner Seele?“ Langsam wandte er sich ihr zu. „Die letzten Winkel, die du nicht erreichen kannst, dort in der Finsternis, in der dein wahres Wesen lauert?“
„Ich glaube nicht, dass mein Wesen in einer solchen Umgebung zu finden wäre.“ Caitlyn schlang die Arme um sich. Ein Frösteln durchfuhr sie.
„Nein, natürlich nicht.“ Er schnaubte belustigt. Mit langsamen Schritten kam er auf sie zu, blieb nur wenige Zentimeter vor ihr stehen. „Die Vampire und die Werwölfe streiten sich um dich. Die Werwölfe, die angeblich versuchen, die Menschen vor der Plage der Vampire zu bewahren, und die Vampire, deren Gier nach Blut alles überlagert.“ Seine Hand hob sich zu ihrer Wange. „Und bisher bist du häufiger von Werwölfen angegriffen worden als von Vampiren.“
„Soll das heißen, dass ich ein Vampir bin?“, entfuhr es Caitlyn. Sie spürte , wie ihre Augen groß wurden und fast aus den Höhlen traten.
Aber das war doch Unsinn , fuhr es ihr durch den Kopf. Vampire liefen nicht bei Tag herum, sie mussten Blut trinken, um zu überleben und außerdem hatte sie nie davon gehört, dass ein Vampir älter wurde.
„Wäre das so schlimm?“ Sein Gesicht näherte sich dem ihren. „Ewige Jugend, ewiges Leben … eine Ewigkeit mit …“
„Das reicht“, unterbrach sie ihn und wich zurück. „Das ist absurd. Ich bin kein Wesen, das durch die Nacht flattert und Blut trinkt.“
Blut …
Mit einem Schlag erinnerte sie sich an den Mörder. Das erste Mal, als sie ihn traf. Wie er den Körper in den Armen gehalten hatte. War er vielleicht –
„Vampire flattern nicht“, hörte sie ihn. Der Gedanke entglitt ihr. „Menschliche Legenden verzerren das Bild der wahren Geschichten immer.“
„Und wie ist das Bild?“, fragte sie und versuchte ihre Stimme sicher klingen zu lassen. Doch je länger sie hier stand und darüber nachdachte , umso unmöglicher erschien ihr die ganze Situation.
„Grausam .“ Sein Blick wurde ernst. Er starrte auf einen imaginären Punkt in der Ferne. „Sie leben vom Blut der Menschen, das stimmt, aber sie nehmen noch mehr, zerstören mehr, als sich ein einfacher Geist vorstellen kann.“ Wieder schien sich ein Schatten in seinen Augen zu spiegeln.
Caitlyn starrte zu ihm empor. Es war ihr , als hätte sie ein Déjà-vu. Das war unmöglich. Sie hatte nie in solche Augen gesehen.
„Sie rauben dir alles und verdammen deine Seele .“ Er beugte sich zu ihr vor. „Der Preis für die Unsterblichkeit ist hoch, aber er ist es vielleicht auch wert.“ Caitlyn spürte sein Hauchen an ihrem Hals. „Und Vampire können durch das Blut alles erfahren. Die Vergangenheit, die Gefühle, … das Wesen.“
„Du bist einer von ihnen“, kam es ihr über die Lippen. Die Erkenntnis hätte sie erschüttern sollen, hätte sie vor ihm fliehen lassen müssen. Doch sie bl ieb, spürte seinen Atem an ihrem Hals. Er sagte nichts, biss nicht zu. Einen endlosen Moment verharrten sie in dieser Pose.
„Und was bin ich?“, fragte sie leise. Etwas in ihr schien zu rumoren und sich losreißen zu wollen. Sie spürte, dass er ihr mehr sagen konnte, dass er nicht nur jemand war, der ihr per Zufall begegnet war. Caitlyn reckte ihren Hals. „Wenn du nur einen Tropfen probierst, kannst du mir sagen, was ich bin?“, fragte sie leise.
Etwas schien zu geschehen. Sie glaubte ein Zischen zu hören. Spürte sie seine Zähne an ihrem Hals? Warum lief sie nicht weg? Jeder normal denkende Mensch musste in einer solchen Situation doch die Beine in die Hand nehmen und das Weite suchen.
Etwas hielt sie hier. Ein Gefühl, wie sie es bisher nie empfunden hatte. Ihre Lider schlossen sich. Woher kam das Gefühl?
Bilder zischten ihr durch die Gedanken. Sie sah ihn vor sich, wie er sich näherte. Sie selbst kauerte am Boden, fühlte, wie der Wahnsinn nach ihr griff. Schmerzen, sie hatte überall Schmerzen und sie sah so viele Tote um sich. Caitlyn spürte, wie sie den Mund aufriss, wie sie schreien wollte. Hände griffen nach ihr, Stöhnen war
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