Faeden des Schicksals
er die Situation aufzulockern. Ihm war genauso klar wie ihr, dass die Frage etwas ganz anderem galt. Der Versuch, das Thema umzulenken, gelang nicht.
Caitlyn starrte ihn an. Es war ihr immer noch nicht ganz geheuer , es auszusprechen. Es klang alles wie ein Traum. Vampire, Werwölfe …
Es war nicht möglich. Doch sie hatte ihre Freundin gesehen, hatte ihre Verwandlung mitbekommen. Sie hatte es schon zuvor gesehen …
Ein stechender Schmerz fuhr ihr durch den Kopf. Gelbe Augen, die nicht menschlich waren, der Fremde, der sich mit übernatürlicher Schnelligkeit bewegt hatte, der Kampf in der abgelegenen Kneipe. Verzerrte Gesichter, das Heulen eines Wolfes. Ihr Unterbewusstsein hatte es anscheinend verdrängt, hatte sie vor der Erkenntnis schützen wollen. Einer Erkenntnis, die so vieles durcheinanderbrachte. Ein weiterer Schmerz. Etwas schien in ihrem Kopf zu zerbrechen.
„Vampir“, keuchte sie und schlug die Hände gegen die Schläfen.
Die Aussprache des Wortes schien ihre Realität zerspringen zu lassen. Eine Wand wurde in ihrem Kopf niedergerissen. Für einen winzigen Moment erschien eine unbekannte Gegend in ihren Gedanken. Endlose Weiten, ein wolkenloser Himmel, Türme stiegen in der Ferne auf. Sie wuchsen heran zu einer gewaltigen Stadt, die alles überragte. Der Boden tat sich auf, sie fiel, immer weiter, landete in einem dunklen Fluss. Kaum tauchte sie wieder ab, da sah sie eine Gestalt am Ufer. In dem Moment brach das Bild ab.
„Was …?“, begann Alex, doch als sie den Blick hob, verstummte er.
Etwas schien hinter seiner Stirn zu arbeiten. Als würde er mehrere Möglichkeiten durchspielen. Dann kapitulierte er scheinbar.
„Du weißt es also .“ Seine Stimme klang matt. Es lag keine Überraschung in seinem Ton.
Caitlyn schluckte. Wie in einem Film raste ihr komplettes Wissen über Vampire durch ihren Kopf. Wissen war vielleicht übertrieben. Das Kopftheater stockte. Wie konnte man es Wissen nennen, wenn alles nur auf Filmen, Büchern und sonstigen Legenden basierte?
„Ich habe schon gehört, dass du im Zirkus warst“, begann er und sank ein wenig zusammen.
Irgendwie passte die Haltung nicht zu ihm, fuhr es ihr durch den Kopf.
„Also, stimmt es?“ Sie fühlte sich benommen. „Laarni meinte du hättest …“ Sie brach ab.
„Die Werwölfin?“ Er richtete sich auf. Ein abfälliges Schnauben erklang und sein Blick schien sich zu verdunkeln. „Sie hat sicher nichts Gutes über mich erzählt.“
„Wenn man den Legenden Glauben schenkt, gibt es auch wenig Gutes über einen Vampir zu berichten“, wandte Caitlyn sanft ein.
„Sicher.“ Alex fuhr auf und ging einige Schritte. „Aber eure Legenden wissen nichts über uns. Sie kennen unsere Gesellschaft nicht, sie verzerren unsere Geschichte. Und ihr Menschen glaubt nicht einmal an uns. Wie wollt ihr da glaubwürdig berichten? Davon abgesehen sind eure Geschichten über Werwölfe auch nicht gerade freundlich. Sie strotzen nur so vor Blutdurst.“
„Und wie ist eure Geschichte?“ Caitlyn versuchte ihn abzulenken. Die Aussagen über die Werwölfe hatten recht verbittert geklungen.
„Ist das ein Thema für den jetzigen Zeitpunkt?“ Er seufzte und drehte sich zu ihr. „Du wurdest angeschossen und bist mit deinen Kräften am Ende. Ich will“, dabei sah er weg, „dich jetzt nicht mit so etwas belasten.“
„Und wann willst du mir dann davon erzählen?“ Caitlyns Blick blieb an ihm kleben.
„Wenn du meine Geschichte wissen willst, werde ich sie dir erzählen.“ Er sah auf die Uhr. „Heute Abend. Ich werde wiederkommen. Bis dahin kannst du dich ausruhen. Solltest du laufen können, steht dir meine gesamte Wohnung hier offen. Solltest du etwas brauchen, frag einfach die Angestellten.“
„Und wo wirst du sein?“
„Manche Nachteile, die uns Vampiren angedichtet werden, stimmen leider mit der Realität überein.“ Ein sanftes Lächeln flog über seine Züge. „Ich werde am Abend zurückkommen. Mehr solltest du nicht wissen.“
„Die Sonne verbrennt euch wirklich?“ Caitlyn legte den Kopf schräg.
„Leider.“ Er drehte sich ganz zu ihr. „Wir müssen uns am Tag in ein sicheres Versteck zurückziehen. Je weniger Leute wissen, wo es ist, umso besser für uns.“
Sein Blick ging nach draußen. Bald musste der Morgen anbrechen.
„Warum tust du das für mich?“, fragte sie, als er sich zum Gehen umwandte.
Noch einmal blieb er stehen und warf einen Blick über die Schulter zurück. „Darf ein unsterbliches Herz etwa
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