Fähigkeiten unbekannt
rostigen Helm.
»Auch unter modernen Explosivgeschossen gibt es Versager«, erklärte er sachlich. »In diesem Falle finden Sie den Einschuß im hinteren Teil des Helmes. Sehen Sie ihn?«
Er drehte den Schädel, und da bemerkte ich das runde Loch. Wortlos richtete ich mich auf. Meine letzten Hoffnungen auf eine vernünftige Klärung des Falles vergingen Minuten später.
Der Arzt hatte die Eisenhaube entfernt. Ich erblickte den Schädel. Auch dort ein rundes Loch.
»Der Mann befand sich offenbar auf der Flucht, als ihn das Projektil von hinten traf. Da es den Schädel nicht völlig durchschlug, ist anzunehmen, daß seine kinetische Energie bereits vorher stark abgebremst war. Der dünne Helm aus Eisenblech bedeutete für ein Geschoß dieser Art kein Hindernis. Wir vermuten, daß es vor dem Auftreffen den Körper eines anderen Soldaten durchdrang. Danach schlug es in den Helm des Flüchtenden. Der Einschuß erfolgte in Höhe des queren Blutleiters, dicht oberhalb des Atlas, des ersten Halswirbels. Wir haben soeben und in Ihrer Gegenwart mit dem Schallfräser eine Knochenplatte gelöst. Verfolgen Sie nun den weiteren Weg des Projektils.«
Er hob das Knochenstück ab. Ich sah in das Innere der Höhlung.
»Hier, es gibt keinen Zweifel. Das Gehirn wurde durchschlagen, die Keilbeinhöhle zertrümmert, bis das Geschoß dicht über der Stirnhöhle zum endgültigen Stillstand kam. Es steckt mit der Spitze im Knochen. Sehen Sie es?«
Ich ging wieder nach vorn. Ja, genau an der bezeichneten Stelle entdeckte ich den langen, schlanken Körper. Als ich danach greifen wollte, hielt man mir die Hand fest.
»Langsam«, warnte Captain Finist, unser Waffenexperte. »Das Ding könnte jetzt noch explodieren. Das ist einwandfrei ein Blindgänger, der dennoch eine tödliche Wirkung besaß.«
Er griff mit der Zange zu. Sekunden später glänzte das Mantelgeschoß im hellen Licht der OP-Lampen. Ich traute meinen Augen nicht! Um das Projektil klar zu erkennen, hätten wir keinen Experten gebraucht!
»Ich werd’ verrückt!« sagte Finist mit schwankender Stimme. »Chef, das ist ein supermodernes Mantelgeschoß, Kaliber ‚222-extra lang Magnum, für Maschinenkarabiner. Fabrikat Remington, hochempfindlicher Aufschlagzünder. Die Patrone ‚222-extra lang Magnum ist vor fünf Jahren entwickelt und vor drei Jahren in der Armee eingeführt worden. Die Mündungsgeschwindigkeit beträgt 1582 Meter pro Sekunde. Und hier –« er unterbrach sich und schluckte schwer – »hier haben Sie auf dem Geschoßboden den vorgeschriebenen Prägestempel der Army. Das Ding kann nach dem Kennzeichen höchstens zwei Jahre alt sein.«
Bedrückende Stille legte sich über den weiten Raum. Ich atmete schwer und stoßweise; der Kragen erschien mir zu eng. Nach einigen Augenblicken traf General Reling eine klare Feststellung:
»Zwei Jahre? Sehr schön, mein Lieber! Wie kommt es dann in den Schädel eines Mannes, der nach einwandfreien Unterlagen am 11. Juni 1811 damit erschossen wurde? Wie erklären Sie sich das?«
Die Hände unseres Waffenexperten zitterten plötzlich. Leichenblaß sah er sich um. Seine Lippen stammelten sinnlose Laute. Ein Arzt trat zu ihm.
»Beruhigen Sie sich, bitte«, flüsterte er hastig. »Setzen Sie sich erst einmal hin.«
Eilig brachte man einen Stuhl herbei. Finist sackte förmlich in sich zusammen. Das Geschoß hielt er dicht vor seine Augen.
Sein Krampf löste sich erst unter Wirkung einer Injektion. Unsere Mediziner schienen sich auf solche Fälle vorbereitet zu haben.
Der Alte stand abseits. Er hatte den Kopf gesenkt und wartete, bis sich der Captain erholt hatte.
»Wieder okay, Finist?« fragte er rauh. »Nein, nein, lassen Sie nur.
Weitere Kostenlose Bücher