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Fähigkeiten unbekannt

Fähigkeiten unbekannt

Titel: Fähigkeiten unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K. H. Scheer
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ros­ti­gen Helm.
    »Auch un­ter mo­der­nen Ex­plo­siv­ge­schos­sen gibt es Ver­sa­ger«, er­klär­te er sach­lich. »In die­sem Fal­le fin­den Sie den Ein­schuß im hin­te­ren Teil des Hel­mes. Se­hen Sie ihn?«
    Er dreh­te den Schä­del, und da be­merk­te ich das run­de Loch. Wort­los rich­te­te ich mich auf. Mei­ne letz­ten Hoff­nun­gen auf ei­ne ver­nünf­ti­ge Klä­rung des Fal­les ver­gin­gen Mi­nu­ten spä­ter.
    Der Arzt hat­te die Ei­sen­hau­be ent­fernt. Ich er­blick­te den Schä­del. Auch dort ein run­des Loch.
    »Der Mann be­fand sich of­fen­bar auf der Flucht, als ihn das Pro­jek­til von hin­ten traf. Da es den Schä­del nicht völ­lig durch­schlug, ist an­zu­neh­men, daß sei­ne ki­ne­ti­sche Ener­gie be­reits vor­her stark ab­ge­bremst war. Der dün­ne Helm aus Ei­sen­blech be­deu­te­te für ein Ge­schoß die­ser Art kein Hin­der­nis. Wir ver­mu­ten, daß es vor dem Auf­tref­fen den Kör­per ei­nes an­de­ren Sol­da­ten durch­drang. Da­nach schlug es in den Helm des Flüch­ten­den. Der Ein­schuß er­folg­te in Hö­he des que­ren Blut­lei­ters, dicht ober­halb des At­las, des ers­ten Hals­wir­bels. Wir ha­ben so­eben und in Ih­rer Ge­gen­wart mit dem Schall­frä­ser ei­ne Kno­chen­plat­te ge­löst. Ver­fol­gen Sie nun den wei­te­ren Weg des Pro­jek­tils.«
    Er hob das Kno­chen­stück ab. Ich sah in das In­ne­re der Höh­lung.
    »Hier, es gibt kei­nen Zwei­fel. Das Ge­hirn wur­de durch­schla­gen, die Keil­bein­höh­le zer­trüm­mert, bis das Ge­schoß dicht über der Stirn­höh­le zum end­gül­ti­gen Still­stand kam. Es steckt mit der Spit­ze im Kno­chen. Se­hen Sie es?«
    Ich ging wie­der nach vorn. Ja, ge­nau an der be­zeich­ne­ten Stel­le ent­deck­te ich den lan­gen, schlan­ken Kör­per. Als ich da­nach grei­fen woll­te, hielt man mir die Hand fest.
    »Lang­sam«, warn­te Cap­tain Fi­nist, un­ser Waf­fen­ex­per­te. »Das Ding könn­te jetzt noch ex­plo­die­ren. Das ist ein­wand­frei ein Blind­gän­ger, der den­noch ei­ne töd­li­che Wir­kung be­saß.«
    Er griff mit der Zan­ge zu. Se­kun­den spä­ter glänz­te das Man­tel­ge­schoß im hel­len Licht der OP-Lam­pen. Ich trau­te mei­nen Au­gen nicht! Um das Pro­jek­til klar zu er­ken­nen, hät­ten wir kei­nen Ex­per­ten ge­braucht!
    »Ich werd’ ver­rückt!« sag­te Fi­nist mit schwan­ken­der Stim­me. »Chef, das ist ein su­per­mo­der­nes Man­tel­ge­schoß, Ka­li­ber ‚222-ex­tra lang Ma­gnum, für Ma­schi­nen­ka­ra­bi­ner. Fa­bri­kat Re­ming­ton, hoch­emp­find­li­cher Auf­schlag­zün­der. Die Pa­tro­ne ‚222-ex­tra lang Ma­gnum ist vor fünf Jah­ren ent­wi­ckelt und vor drei Jah­ren in der Ar­mee ein­ge­führt wor­den. Die Mün­dungs­ge­schwin­dig­keit be­trägt 1582 Me­ter pro Se­kun­de. Und hier –« er un­ter­brach sich und schluck­te schwer – »hier ha­ben Sie auf dem Ge­schoß­bo­den den vor­ge­schrie­be­nen Prä­ge­stem­pel der Ar­my. Das Ding kann nach dem Kenn­zei­chen höchs­tens zwei Jah­re alt sein.«
    Be­drücken­de Stil­le leg­te sich über den wei­ten Raum. Ich at­me­te schwer und stoß­wei­se; der Kra­gen er­schi­en mir zu eng. Nach ei­ni­gen Au­gen­bli­cken traf Ge­ne­ral Re­ling ei­ne kla­re Fest­stel­lung:
    »Zwei Jah­re? Sehr schön, mein Lie­ber! Wie kommt es dann in den Schä­del ei­nes Man­nes, der nach ein­wand­frei­en Un­ter­la­gen am 11. Ju­ni 1811 da­mit er­schos­sen wur­de? Wie er­klä­ren Sie sich das?«
    Die Hän­de un­se­res Waf­fen­ex­per­ten zit­ter­ten plötz­lich. Lei­chen­blaß sah er sich um. Sei­ne Lip­pen stam­mel­ten sinn­lo­se Lau­te. Ein Arzt trat zu ihm.
    »Be­ru­hi­gen Sie sich, bit­te«, flüs­ter­te er has­tig. »Set­zen Sie sich erst ein­mal hin.«
    Ei­lig brach­te man einen Stuhl her­bei. Fi­nist sack­te förm­lich in sich zu­sam­men. Das Ge­schoß hielt er dicht vor sei­ne Au­gen.
    Sein Krampf lös­te sich erst un­ter Wir­kung ei­ner In­jek­ti­on. Un­se­re Me­di­zi­ner schie­nen sich auf sol­che Fäl­le vor­be­rei­tet zu ha­ben.
    Der Al­te stand ab­seits. Er hat­te den Kopf ge­senkt und war­te­te, bis sich der Cap­tain er­holt hat­te.
    »Wie­der okay, Fi­nist?« frag­te er rauh. »Nein, nein, las­sen Sie nur.

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