Fähigkeiten unbekannt
Jahren die militärische Laufbahn einzuschlagen. Nach der Unterwerfung des preußischen Königreiches durch Napoleon I. mußte der König Soldaten an die französische Armee abstellen. Ein Angehöriger der erwähnten Familie war Offizier und gehörte dazu. Er befehligte eine Schwadron sogenannter Schwerer Kürassiere im Dienste des Korsen. Ich entdeckte die handschriftliche Aufzeichnung des Offiziers. Sie berichtet von einem Scharmützel mit der Begleitmannschaft eines reisenden Händlers, dessen Wagen untersucht werden sollte. Die Begegnung fand in der Nähe des Dorfes Fürstenberg an der Oder statt. Damals war es eine kleine Ansiedlung. Zeitpunkt: 11. Juni 1811, also vor hundertvierundneunzig Jahren.«
Dr. Rübner sah sich bedächtig um, ehe er fortfuhr:
»Der Offizier berichtet über die Untersuchung des Handelszuges. Es waren drei Planwagen mit jeweils vier Pferden bespannt. Als er sein Haltezeichen gab, wurde seine Schwadron plötzlich unter Feuer genommen. Er spricht vom ›Donner des Teufels‹, von peitschenden Schüssen in ununterbrochener Folge. Pferde und Mannschaften seien ›vom Teufelszauber lebendigen Leibes zerrissen worden‹. Es gab nur sechs Überlebende.
Meine Herren, diese eigenartige Schilderung berührt mich seit Jahren. Als ihre Anfrage kam, wurde ich sofort aufmerksam. Ich studierte alte Karten und stellte genau fest, an welcher Stelle dieser Feuerüberfall stattgefunden hatte. Unsere Ausgrabungen hatten Erfolg. In unmittelbarer Nähe befand sich sogar ein sehr alter Friedhof. Wir entdeckten zahlreiche Skelette in einem Massengrab. Dieses da –« er deutete auf den Tisch – »befand sich unter den anderen Überresten. Man hatte etwa sechzig gefallene Soldaten an dem Ort bestattet. Der Boden ist dort sehr trocken. Wie Sie sehen, ist besonders das Lederzeug noch recht gut erhalten.«
Er zeigte auf die langen Stiefelschäfte. Als er fortfuhr, verlor seine Stimme den sachlichen Tonfall. Er schien plötzlich innerlich aufgewühlt zu sein.
»Meine Herren, wir machten ungeheuerliche Feststellungen! Fast alle sterblichen Überreste wiesen schwere Schäden auf. In den eisernen Brustpanzern fanden wir durchweg kleine, wie gestanzt wirkende Löcher. Wenn ich nicht Ihre speziellen Hinweise gehabt hätte, wäre ich niemals auf die Idee gekommen, daß diese Männer mit hochmodernen, kleinkalibrigen Explosivgeschossen getötet wurden. Es gibt keinen Zweifel. Die medizinische Untersuchung ist völlig einwandfrei. Knochenschäden durch explodierende Projektile! Die Löcher in den Harnischen sind eindeutig als Einschußöffnungen identifiziert worden. Die Gutachten der GWA-Waffenexperten bestätigen das erneut.«
Ich hörte jemand stöhnen. Es dauerte einige Sekunden, bis ich mich selbst als Urheber dieser Geräusche erkannte. Ich war wie betäubt. Doktor Rübner sah nicht wie ein Phantast aus!
»Das wäre es eigentlich. Wir fügten die einzelnen Knochenteile zusammen, doch den wirklichen, unwiderlegbaren Beweis fanden wir erst mit diesem Skelett. Wenn ich nun die Herren Mediziner bitten dürfte.«
Er sah sich auffordernd um und trat zurück.
Meine Beine trugen mich an den Operationstisch. Es geschah gegen meinen bewußten Willen. Ich beugte mich tief zu dem Brustpanzer hinunter. Nirgends war eine Einschußöffnung zu bemerken. Triumph keimte in mir auf. Vielleicht beruhte doch alles auf einem Irrtum. Ich gab die Hoffnung noch nicht auf.
»Wo soll da das Schußloch sein?« fragte ich erregt. »Täuschen Sie sich auch nicht, Doktor?«
Ein Arzt trat näher. Seine Hand glitt nach unten zum
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