Fähigkeiten unbekannt
das war nicht zu verkennen. Deshalb beauftragte ich Polks und Tundry, einmal nach unseren Pferden zu sehen. Sie standen ebenfalls im Hof.
Wir saßen in der Gaststube und unterhielten uns mit dem Arzt des Dorfes. Der Medicus erzählte von seiner Praxis, die er nach der Schlacht bei Jena und Auerstedt aufgenommen hatte. Mir graute bei den Schilderungen über die Amputationen, die er mit primitiven Hilfsmitteln und ohne jede Narkose durchgeführt hatte.
Hannibal verfärbte sich etwas. Ich sah ihn warnend an.
Pünktlich um zwanzig Uhr dreißig erschienen die eingeladenen Offiziere. Darunter auch Baron von Züllwitz. Das Essen wurde aufgetragen, Wein eingeschenkt. Die Gaststube gehörte sozusagen uns. Andere Leute drängten sich verschüchtert in die äußersten Winkel.
Dann kam der Augenblick, auf den ich fieberhaft gewartet hatte.
Melchior Traber, der sogenannte Handelsmann, erschien. Es war ihm wohl auch keine andere Wahl geblieben, als die Gaststube aufzusuchen. Er hatte sich ebenfalls unauffällig zu benehmen, Tundry folgte ihm herein. An seinem betont ausdruckslosen Gesicht bemerkte ich, daß er etwas Entscheidendes herausgefunden hatte. Sein kaum bemerkbares Nicken bestätigte meine Vermutung. Wir hatten also die richtigen Leute gefunden – Männer, die sehr wohl wußten, was man unter einer modernen Maschinenwaffe zu verstehen hatte.
Hannibal fuhr plötzlich zusammen. Aus verengten Augen sah er zu dem höflich grüßenden Händler hinüber. Das stoische Lächeln des Kleinen gefiel mir nicht. So sah er immer aus, wenn er etwas Wichtiges festgestellt hatte.
Während einer kurzen Gesprächspause flüsterte er mir hastig zu:
»Dieser Traber, erinnere dich! Der verschwundene italienische Wissenschaftler hatte einen deutschen Assistenten. Dr. Fehrmann nannte er sich. Wir haben die Bilder gesehen. Denk dir den Bart weg, und du hast ihn vor dir.«
Hannibal hatte ausgezeichnet beobachtet. Ja, das war der Assistent dieses Dr. Amalfi, mit dem die Geschichte begonnen hatte.
Ich sah nur flüchtig und wie zufällig zu dem anderen Tisch hinüber. Dennoch wurde der Bursche sofort aufmerksam. Ich bemerkte sein mißtrauisches Blinzeln. Wenig später rief er den Wirt herbei. Der Mann erteilte eifrig Auskünfte, die aber nicht geeignet zu sein schienen, die einmal erweckte Unruhe in Fehrmann zu beseitigen. Er begann mit den beiden Männern seiner Begleitung zu tuscheln.
Ich wußte, daß wir uns nicht mehr um die Leute kümmern durften. Recht laut erzählte ich von meinen angeblichen Abenteuern während der langen Reise. Je trunkener und lebhafter die Offiziere wurden, um so mehr schien sich der Verdacht unseres besonderen Freundes zu verflüchtigen. Wahrscheinlich hatte er sich längst gesagt, daß ein derart zufälliges Zusammentreffen einfach unmöglich sein mußte. Und außerdem – warum sollte es verdächtig sein, zwei amerikanischen Offizieren auf einer Inspektionsreise durch das napoleonische Europa zu begegnen?
Gegen Mitternacht beendete ich das gemütliche Zusammensein mit dem Bemerken, am kommenden Morgen schon um drei Uhr losreiten zu wollen, da meine Ankunft in Berlin zum 12. Juni avisiert sei.
Man verstand das. Die Offiziere verabschiedeten sich sehr freundschaftlich. Auch der Medicus verschwand in der Begleitung eines Hausknechtes, der ihm mit der Laterne heimleuchtete.
Ich zahlte die Zeche mit zwei amerikanischen Eagels und erklärte dem Wirt den ungefähren Umrechnungswert. Dann gingen wir gähnend auf unsere Zimmer. Dem scharf beobachtenden Händler gönnte ich nur noch ein höfliches Nicken.
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