Fänger, gefangen: Roman
Tages, als ich noch klein war und nicht wusste, dass es ein Problem für ihn ist, fragte ich ihn, warum er kein Bier trinkt wie die anderen Väter. Und selbst seine damals vereinfachte Erklärung verstand ich so, dass ihm sein clean Sein heilig war.
Normalerweise nimmt er alles, was ihn selbst betrifft, auf die leichte Schulter. AA nicht. Obwohl er nicht viel darüber redet, macht er niemals Witze über sie. Sein Versprechen, clean zu bleiben – ein ziemlich einschneidendes Versprechen, wenn man etwas niemals mehr wieder tun will, finde ich –, gab er im Kreißsaal in der Nacht, als ich geboren wurde.
Nicht lange nach diesem Gespräch über Bier und AA und den Kreißsaal, aber schon vor vielen Jahren, hatten meine Eltern einen Streit, bei dem meine Mom ihm vorwarf, das Versprechen mir gegeben zu haben und nicht ihr. Zuerst fühlte ich mich deswegen schlecht, aber nachdem ich darüber nachgedacht hatte, fühlte ich mich eigentlich auch gut. Wenn ich mal richtig sauer auf ihn bin wegen irgendwas, denke ich an dieses Versprechen, und das hilft.
Ein anderer, wirklich bedeutender Effekt, dass mein Vater zu den AA geht, ist, dass Drogen mich überhaupt nicht anmachen. Null. Mack sagt, er habe mal Marihuana probiert. So wie fast jeder andere Teenager in Essex County das probiert, weil hier sonst echt überhaupt nichts los ist. Zu Joe brauchst du so was aber nicht zu sagen. Wenn bei ihm irgendwer Langeweile als Entschuldigung für so was anbringt, regt er sich furchtbar auf. Er sagt, das sei nur eine dumme Ausrede. Und dann zitiert er aus dem Nichts irgendeinen berühmten Schriftsteller, der sinngemäß gesagt hat: Tu die Dinge mit Freude, weil du dich entschieden hast, sie mit Freude zu tun, aus positiven Gründen, also weil du Gutes in die Welt bringen möchtest. Klingt irgendwie abgedroschen, ich weiß, aber ich verstehe, was Joe meint. Er ist der klügste Mensch, den ich kenne.
Außerdem sagt er, Mädchen stehen auf Jungs, die Enthusiasmus zeigen und Ideen haben, und nicht auf schlaffe Kiffer. Er muss es wissen, er hat schon hundert Freundinnen gehabt. Mehr als Mack, der nur eine hatte, und das auch nur für eine Nacht. Aber nicht, weil er nichts anderes versucht hätte.
Wie Mack sagt, raucht er nicht oft, wobei ich nicht weiß, ob er ehrlich ist. Er sagt, er muss davon kichern, was ich bei einem Jungen ganz schön peinlich finde. Und er ist fast schon mal verhaftet worden. Da kam er von einer Party, auf der sie geraucht hatten, und knallte mit seinem Fahrrad gegen einen Telefonmast, gerade als Officer Brewer, der fette Typ, der für die Stadt arbeitet, die Straße runterfuhr. Das ist Teil der nächtlichen Routine, bevor sie in Essex County die Bürgersteigehochklappen. Mack sagt, Brewer habe die ganze Zeit rumgeschnüffelt, während er ihm half, das Rad wieder gerade zu biegen, damit Mack nach Hause fahren konnte.
Ich halte mich von Partys, zu denen Kiffer kommen, lieber fern. Aus Respekt vor Dad und so. Wenn ich verhaftet würde, wäre das für Eltern wie meine, die sowieso schon gegen das Establishment wettern, ziemlich stressig. Soweit ich weiß, verstecken sie sich hier in diesem Kaff, weil sie vom FBI nicht auf Fotos von Kriegsgegnern, militanten Weathermen oder noch Schlimmerem identifiziert werden wollen. Dad hat mehr als ein Mal angedeutet, dass alle Eltern Geheimnisse hätten.
AA ist für ihn wie eine Religion. Wenn er Fernsehreporter hört, die bei einem Star ein Drogen- oder Alkoholproblem vermuten, horcht er sofort auf und wettert los – etwas über das Recht auf Privatsphäre und dass sie die Leute in Ruhe lassen sollen, die versuchen, dagegen anzukämpfen, was wüssten die schon darüber. All so emotionales Zeug, an dem man erkennt, dass es ihm immer noch sehr nahegeht. Manchmal frage ich mich, ob Mom seine Ablehnung dieses Teils ihres früherern gemeinsamen Lebens als persönliche Ablehnung empfindet. Sie hat auch damit aufgehört, aber trotzdem weiß ich, wie ich mich fühlen würde, wenn Mack plötzlich jedem erzählt, er fände
Apocalypse Now
bescheuert. Das wär wie eine persönliche Beleidigung.
Am Abend unserer großen Angelexpedition mit den Zwillingen wartet Mack mit seinem rostigen Angelkoffer und zwei Angelruten auf seiner Vordertreppe. Ich bringe zwei Ruten aus unserer Sammlung mit, die schon seit etlichen Generationen besteht. Allerdings hab ich nicht die Bambusstange mit dem Korken an der Schnur ohne Rolle dabei. Die haben wir benutzt, als wir klein waren, aber die Mädchen fänden
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