Fänger, gefangen: Roman
gegnerische Mannschaft auflaufen. Jeder kann sehen, wie sehr sich das Team auf ihn verlässt und wie er alles dafür tut, unentbehrlich zu sein.
Mein älterer Bruder studiert im ersten Jahr an der Universität von Virginia und hat mehr Freundinnen als jeder, den ich kenne. Er ist ein wahrer Joe McCollege, der coolste Typ auf dem Campus – viel zu cool, um sich noch mit mir abzugeben.
Übrigens heißt er tatsächlich Joe, kurz für Joseph Ides Landon. Meine Eltern haben ihn ebenfalls mit so einem komischen Namen geschlagen, nur dass Ides – also die Iden aus dem römischen Kalender – nicht halb so schlimm ist wie Solstice. Außerdem können die Leute sich Ides viel eher als richtigen Namen vorstellen, deshalb ist es ihm nie so peinlich wie mir. Er braucht sich nicht die Story ausdenken, dass Solstice ein Überbleibsel unserer Vorfahren aus der alten Welt sei – wieder so ein Gratistipp von Cassie Jones, die sich bestimmt nicht mal mehr an mich oder mein Gestammel über das Erntetanzfest erinnert, zu dem ich leider nie so was wie ’ne Einladung hingekriegt hab.
Und um diese Namenssache abzuschließen, für den Fall, dass euch Namen auch so wichtig sind wie anscheinend meiner Mom: Nick für Nicholas bedeutet der Siegreiche. Das ist auch Moms grundsätzliche Lebensphilosophie. Ich weiß nicht, warum sie das dritte Mal beim zweiten Vornamen gekniffen und sich für unseren einzigen Vorfahren aus Virginia entschieden hat, Marshall. Aber er passt zu Nick. Nicholas Marshall Landon klingt wie ein Politikername, oder? Er ist definitiv derjenige, der die Welt verändern wird. Den Namen dafür hat er. Und die Energie.
Als Dad mich ruft, lieg ich grad in meiner Koje – direkt über der von Nick – in der vorderen Schlafkabine unseres Hausboots. Das Hausboot ist megacool – etwas Alltägliches und Altmodisches zugleich. Meine Eltern haben es vor zwei Monaten bei einer Regierungsauktion gekauft. Es war eine reine Reflexreaktion, etwa eine Woche, vielleicht auch weniger, nachdem die Ärzte ihnen gesagt hatten, dass ich krank bin. Joe hat das Boot
Nirvana
getauft. Weil meine Eltern so taten, als hätten sie den Witz kapiert, haben sie nicht protestiert. Wahrscheinlich haben sie es als Anspielung auf Buddha verstanden. Was auch immer – der Name ist geblieben. Es ist das erste große Ding, das sie je besessen haben. Autos – böse Umweltverpester, aufgrund des unglückseligen Zustands der Welt aber leider nötig – zählen laut ihrer Aussage nicht.
Ganz früher, vdK (vor den Kindern), als sie noch schwer verliebt waren, gingen sie vom College ab, um Hängematten zu flechten. Sie lebten »in ihrer eigenen Kommune«, wie Mom es nennt. Wenn sie ihren Nostalgischen kriegen, erzählen sie Geschichten über die tollen Partys, die sie da gefeiert haben, und wie sie alle eins mit der Erde waren, bevor Joe kam. Bevor sie wieder damit aufhören mussten, um das College zu beenden und richtige Arbeit zu bekommen. Aber irgendwie war trotz dieser Arbeit nie genug Geld da, um ein Haus zu kaufen.
Über diesen Teil erzählen sie nicht so viel. Ihre Version lautet: Besitz ist ein Kotau – eine demütige Ehrerweisung – vor dem Kapitalismus. Mieter zu sein bedeutet dann anscheinend, mit dem Universum verbunden zu sein.
Macht es euch nicht auch verrückt, wenn Leute sich so was ausdenken, nur um ihre Situation zu rechtfertigen? Bei meinen Eltern finde ich das allerdings nicht schlimm, weil sie ihre Ansichten nicht jedem aufdrängen, so wie manche Eltern das tun, die den Freunden ihrer Kinder die Limo wegnehmen, weil der Zucker darin die Zähne kaputt macht. Das ist peinlich. Wie kommen sie auf die Idee, dass eine Dose Limo weniger das Kind retten oder für immer die Wahl seiner Getränke verändern wird?
Jedenfalls haben meine Eltern seit ihrer Kommunenzeit eine Reihe von Häusern gemietet. An manche kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Das vor dem Hausboot hatte Fehler mit der Elektrik, was eine gute Entschuldigung war, sich keinen Fernseher anzuschaffen. Und wir mussten bei Kerzenlicht lesen. Meinen Eltern gefiel das. Zurück zur Natur. Ich hab euch gewarnt.
Die KRANKHEIT hat ihre Einstellung zu Besitz verändert. Sie sind überzeugt, das Hausboot halte Keime fern. Aber egal. Auf jeden Fall ist es anders.
Den
Fänger
hab ich schon mehrmals gelesen – und sogar mal die Erläuterungen überflogen, um rauszukriegen, ob ich es richtig verstanden hab. Es gefällt mir, wie Holden überall hingeht, wo es ihm passt – in die Stadt,
Weitere Kostenlose Bücher