Fänger, gefangen: Roman
Zwillingen in die Cafeteria gehen. An ihren Schließfächern warten. Sie zu Trainingsspielen oder ins Computerlabor einladen. Im Klassenzimmer hinter ihnen sitzen. Nicht hier sein zu können, bedeutet Höllenqualen.
Eltern sollten niemals vergessen, dass körperliche Anwesenheit in der Schule darüber entscheidet, welche sozialen Fäden du in der Hand hältst. Egal, wie sehr du den Unterricht hasst, ist die Schule der beste Ort, um deine Freunde zu treffen. Die meisten würden nicht mal eine Grippe vortäuschen, wenn in der Klasse jemand ist, den sie besonders mögen. Mit sechzehn oder siebzehn kannst du durch einen einzigen geschwänzten Tag viel an Boden verlieren.
Draußen vor dem Fenster läuft sich das Footballteam warm. Die Geräusche, selbst über den Lehrerparkplatz hinweg, sind abstoßend. Grunzen und Stöhnen. Ein paar der Jungs sind so schwer, dass sie kaum die Füße heben können. Der Kies spritzt von ihren Stollen über den Gehweg. Drei oder vier fallen immer weiter hinter ihre Kollegen zurück. Als der Coach sie anbrüllt, dass sie aufholen sollen:
Aufholen!,
muss das ganz schön entmutigend sein. Auch mehr essen zu müssen, als du willst, um dieses Gewicht zu halten, ist sicher schmerzhaft. Ich würde es nie in dieses Team schaffen. Ich kann neuerdings kaum mehr alsein halbes Sandwich essen. Aber dass ich Mitleid mit Footballspielern habe, ist neu für mich.
Joe sagt, die Typen am College, die er kennt, die in der Abwehr spielen, halten jeden Tag Mittagsschlaf. Sie dürfen am Wochenende nicht ausgehen, weil sie freitagabends vor einem Spiel um neun Uhr eine spezielle eiweißreiche Mahlzeit essen müssen. Und ein kohlehydrathaltiges Frühstück am Morgen. Mädchen sind bestimmt nicht allzu wild darauf, sich an solche Blubberbäuche zu schmiegen.
Ihr wisst ja, wie das ist. Jeder beschwert sich, wenn er im Bus oder im Klassenzimmer neben einem Fettwanst sitzen muss. Selbst ich, der ich furchtbar dünn bin und immer noch dünner werde, begreife nach weniger als zwei Sekunden, dass diese Typen wahrscheinlich sogar gerne mit mir tauschen würden.
»Daniel Landon?« Die Frau in dem weißen Labormantel ist mir völlig fremd, aber sie kann nicht viel älter sein als ich. Sie sieht aus wie eins der wirklich schlauen Mädchen, mit denen Joe auf dem College abhängen würde. Nagellack, kurze Haare, frisch und straight. »Ich führe Aufsicht bei deinem Algebra-Test. Stell mir bloß keine Fragen, denn Mathe kann ich nicht. Ich unterrichte Chemie.«
Ich zucke mit den Achseln. »Chemie in der Elften, oder?«
»Vielleicht kommst du nächstes Jahr in meine Klasse.«
»Wahrscheinlich nicht.«
Sie macht auf entrüstet. »Für den Abschluss braucht man aber Chemie. Willst du keinen Abschluss machen?«
»Die Frage ist komplizierter, als Sie denken. Vielleicht sollte ich jetzt einfach den Algebra-Test machen.«
Obwohl sie mich bestimmt für aufsässig hält – was ich an dem leisen verärgerten Stöhnen erkenne, das sie über die rot geschminkten Lippen pustet –, sieht sie nur auf die Uhr und gibt mir den Test. »Fünfzig Minuten. Keine Verlängerung.«
Sie wird nicht laut und bleibt cool. Sie ist bestimmt eine gute Lehrerin, aber das werd ich nie erfahren.
Als ich fertig bin, wartet draußen nicht Mom auf mich, sondern Mack.
»Deine Mom hat gesagt, sie holt dich bei mir ab. Wenn wir zusammen gehen.« Nach kurzem Schweigen fügt er hinzu: »Meinst du, das geht mit deinem Knöchel?« Ich marschiere los. Von mir aus kann der Knöchel ruhig abfallen. Mack holt mich ein und fängt an, über die neue Form der morgendlichen Durchsagen und die geänderte Speisekarte in der Cafeteria zu jammern. Nach einer Weile bricht er ab.
»Hey.« Er schlägt neben meinem Arm in die Luft. »Bist du wegen irgendwas sauer auf mich?«
»Du solltest in der Schule für mich Augen und Ohren offen halten, weißt du noch? Wenn Yowell sich an Meredith ranmacht und sie anbaggert, möchte ich das gerne wissen.«
»Er ist nur ein guter Freund.«
»Nein, nicht mehr. Er ist zum Wolf geworden.«
Mack sieht überrascht aus. »Hey, ich wusste ja nicht, dass es mit dir und Meredith so ernst ist.«
»Das geht dich auch verdammt nichts an«, sage ich. »Halt einfach Yowell von ihr fern.«
Weder Mack noch Mrs Petriano können mich überreden, ins Haus zu gehen. Ich warte zwar vor ihrem Haus auf meine Mutter, aber es fühlt sich eher wie spionieren an. Bei den Rilkes ist nichts zu sehen. Obwohl Mrs Rilkes Wagen in der Auffahrt steht, geht
Weitere Kostenlose Bücher