Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fänger, gefangen: Roman

Fänger, gefangen: Roman

Titel: Fänger, gefangen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Collins Honenberger
Vom Netzwerk:
schreit danach noch lauter.
    »Das hier
ist
unser Haus!«
    Die Situation ist so lächerlich, dass – genau wie bei Holden – mein Gesicht anfängt zu glühen, sechzig Grad heiß und puterrot. Normale Leute wohnen nicht auf Hausbooten. Normale Leute reden am Telefon oder auf der Türschwelle.
    Ich richte meine Worte in den Himmel und lasse sie vom Wind in ihre Richtung tragen. »Mrs Landon ist nicht da, und ich will nicht reden. Mit niemandem. Gehen Sie weg.«
    Dad wartet nicht mal ab, ob sie bleibt oder wegfährt. Mit tief gerunzelter Stirn geht er mit seinem Manuskript in die Kabine zurück.
    Am nächsten Tag kommt sie wieder, diesmal mit einem Bezirkspolizisten. Nicht mit Brewer, der der einzige Polizist ist, dessen Namen ich kenne, außer Sheriff Jessop. Aber es kann sowieso nicht Brewer sein, weil der bei der Stadtpolizei arbeitet. Es ist kurz vorm Abendessen. Der Sturm hat sich gelegt, und Dad ist bei einem Fußballspiel von Nick. Ich wache gerade aus meinem täglichen Nickerchen auf, als Mom der Hexe den Zutritt zu unserem Boot verweigert.
    »Brauchen die wirklich einen Durchsuchungsbefehl?«, frage ich, nachdem sie weggefahren sind.
    Sie zuckt mit den Schultern und schneidet weiter Tofu für den Salat. »Dein Vater hat recht, und ich bin kein Anwalt. Aber das ist was Persönliches. Der Staat sollte sich nicht in Familienangelegenheiten einmischen.«
    Darauf erwidere ich: »Meredith sagt, an der Albemarle haben sie die Eltern eines Jungen verklagt, der beim Fußballspiel verletzt wurde.«
    Mom will nun mehr darüber wissen. »Aber bestimmt nicht deshalb, weil sie ihn mit einem verstauchten Knöchel zu Hause behalten haben.«
    Darauf ich: »Nein, weil sie den Sanitätern nicht erlaubt haben, seine Gehirnerschütterung zu behandeln.«
    »Wie lautete die Anklage?«
    Doch an der Art, wie sie nur kurz mal nichts macht und dann weiter den Kühlschrank durchsucht, merke ich, dass ihr die Antwort nicht mehr wichtig ist. Sie hat genug eigene Probleme. Und wenn meine Mutter mal was entschieden hat, dann bleibt sie dabei. Das Gute an meinen Eltern ist, dass sie ihre Entscheidungen unabhängig von anderen treffen. Falls ihr das bisher nicht bemerkt habt.
    »Vielleicht solltet ihr mal mit einem Anwalt sprechen.«
    »Das ist das Letzte, was wir jetzt brauchen. Anwälte sind teuer.«
    Wegen der Heilmittelrechnungen
,
das muss sie nicht extra dazusagen. Das weiß ich auch so. Der Stapel auf dem Regal beim Radio war den Sommer über immer höher geworden. Schließlich hat Dad die ganzen Rechnungen in eine alte Schuhschachtel geworfen und in das Ablagefach unter ihrer Koje gepackt. Ich hab sie entdeckt, als ich mal das Handy suchte. Ich schätze, Dad hatte es genauso satt wie ich, sie andauernd im Blickfeld zu haben. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie viel höher der Stapel wäre, wenn ich die Chemotherapie und Bestrahlung kriegen würde, die die Ärzte vorgeschlagen haben.
    Als Mom mich zum ersten Mal zur Highschool bringt, damit ich den ersten Teil der Zehnte-Klasse-Tests schreiben kann – Bio und Algebra II zur Mitte der ersten Halbjahreshälfte –, ist die Fußschiene ab, und ich trage stattdessen eine hautfarbene Knöchelstütze. Das sieht nicht gerade cool aus, aber wenigstens kann ich wieder in Sandalen laufen. Noch drei Wochen, und die ganze Verstaucherei ist Geschichte. Nicht, dass ich besonders wild darauf wäre zu vergessen, wie es passiert ist.
    Als wir durch die Seitentür an der Turnhalle gehen – Mom hat vorher angerufen und extra um Erlaubnis gebeten, dass wir nicht durch den Haupteingang mit all den herumschwirrenden Keimen in der Eingangshalle gehen müssen –, sehe ich als Erstes Leonard Großmaul Yowell. Er lehnt am Snack-Automaten und labert die Zwillinge voll. Nach den Mötley-Crüe-T-Shirts und Sandalen vom letzten Jahr hat er seine Garderobe aufpoliert. Um die Lehrer zu beeindrucken, schätze ich, weil er wahrscheinlich schon auf College-Empfehlungen spekuliert. Ihr könnt euch ja denken, dass sein Vater, der als Senator im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht, viel mehr auf diesen »Kleider machen Leute«-Aspekt achten muss als mein Vater.
    Ich bin trotzdem beeindruckt von Leonards Outfit. Nicht, dass ich dieses schicke Schnöselzeug selbst anziehen würde. Das blassblaue Button-Down-Hemd macht ihn älter. Gute Entscheidung, MasterYowell. Und es lenkt von seiner Gesichtshaut ab, die an manchen Stellen aussieht, als hätte er mit einem schlechten Radiergummi dran rumgerubbelt. Das war für den

Weitere Kostenlose Bücher