Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fänger, gefangen: Roman

Fänger, gefangen: Roman

Titel: Fänger, gefangen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Collins Honenberger
Vom Netzwerk:
Essex County. Wobei man
das führende
auch durch
das einzige
ersetzen kann.
    In der Zeitung erscheint ein Artikel über uns. Der Bezirksstaatsanwalt wird zitiert. Er hätte gesagt, wenn meine Eltern mich im Juni so hätten behandeln lassen, wie die Ärzte es ihnen empfohlen hätten, sei ich jetzt schon wieder in der Schule. Der Mann würde meine Eltern beschuldigen, mich bei meinem Vergehen, also dem Schuleschwänzen, unterstützt zu haben. Wegen dieses Delikts erstatten sie keine Anzeige, aber die Androhung steckt unterschwellig drin. Dass sie meinen Eltern indirekt vorwerfen, sie würden mich umbringen, lässt Mom furchtbar wütend werden. Denn es ist lächerlich, ausgerechnet das meiner Mutter vorzuwerfen.
    Der Anwalt, den meine Eltern engagieren, Henry Walker, scheint kurz vorm Abkratzen zu sein. Er nuschelt, und du verstehst kein einziges Wort, das er sagt. Jedes Mal, wenn sie aus seinem Büro kommen, sehen sie selbst wie Zombies aus. Walker geht zweimal mit ihnen zum Gericht, aber nichts passiert. Da sie mich anscheinend aus dem Streit raushalten wollen, schweigen meine Eltern sich aus, und ich muss mich damit begnügen, die Zeitungen zu durchforsten.
The Rappahannock Report
hat eine kleine Kolumne zu Gerichtsverfahren in Tappahannock, aber bei Fällen mit Jugendlichen werden laut Mrs Petriano persönliche Daten zurückgehalten. Als ich einmal nachmittags bei ihnen darauf warte, dass Mack aus der Schule kommt, erwischt sie mich dabei, wie ich in ihrer Zeitung stöbere.
    Die Zeitung berichtet, der Fall sei ausgesetzt. Als Macks Mutter nach oben geht, rufe ich von ihrem Telefon aus beim Gericht an. Die Beamtin druckst herum.
    »Das kann ich wirklich nicht sagen, weil ich nur offiziell genehmigte Informationen rausgeben darf«, sagt sie.
    »Es ist meine Akte«, sage ich. »Es geht um mich. Habe ich nicht das Recht, über mich selbst zu lesen?«
    »Fakt ist, dass du kein Recht auf Akteneinsicht hast, da du minderjährig bist.«
    Ich glaube aber, ich tue ihr leid, denn sie redet weiter.
    »Es werden weitere Gerichtstermine festgesetzt. Das Gericht wird deine Eltern darüber informieren. Und dann können sie das Verfahren mit den Zeugenaussagen verfolgen. Wenn sie einen Anwalt haben, darf er für seine Vorbereitung Kopien aus der Akte vornehmen. Er wird wissen, wie er das anstellen muss. Und als Minderjähriger darfst du trotzdem den Anhörungen beiwohnen, wenn du willst. Du solltest das mit deinen Eltern besprechen. Und mit dem Anwalt.«
    Auch wenn sie es nicht ausdrücklich erklärt, begreife ich, dass
ausgesetzt
nicht
beendet
bedeutet. Sie sagt aber, dass im Gerichtsprotokoll »Verhandlungstermin ausstehend« vermerkt ist. Das klingt nicht gut.
    Als meine Eltern den Zeitungsartikel lesen, schlage ich vor, einfach wieder zur Schule zu gehen. Aber wahr ist leider, dass ich nicht länger als vier, viereinhalb Stunden am Stück wach bleiben kann, also wäre das keine Lösung. Wenn du im Unterricht einschläfst, musst du nachsitzen. Ich könnte also direkt in dem Raum für Nachsitzer einziehen. Und die anderen Jugendlichen da drin sind nicht unbedingt die Typen, denen meine Mutter ein Sauberkeitsattest ausstellen würde.
    Die offizielle Vorladung des Gerichts bringt Officer Brewer eines Abends Mitte Oktober. Dad ist so freundlich und rudert hin, um die Dokumente entgegenzunehmen. Ich höre, wie Officer Brewer hinter dem Steuer mit dröhnender Stimme erklärt, dass er das hier – Gerichtspapiere ausliefern – in seiner Freizeit mache. Sie gäben ihm dafür extra den Bezirksstreifenwagen. Unter mehrfachen Entschuldigungen erklärt er weiter, er sei kein Bediensteter des Bezirks und es tue ihm leid, dass es so weit gekommen sei. Nachdem er weggefahren ist, stecken Mom und Dad draußen vor ihrer Kabine die Köpfe zusammen. Es endet damit, dass Dad ihr sagt, sie solle sich beruhigen, was sie natürlich noch wütender macht. Sie knallt die Kabinentür zu. Als Dad in die Kombüse kommt, um Kaffee zu kochen, ergreife ich meine Chance.
    »Warum darf ich vor Gericht nicht aussagen? Es ist mein Leben.«
    Mom erscheint im Bademantel. Dad gibt mir ein Zeichen, dass ichmich neben ihn an den Tisch setzen soll, und ich nehme an, dass wir jetzt ernsthaft reden werden.
    Dad schenkt zwei Becher Kaffee ein. »So was sieht das Gesetz aber nicht vor. Du bist minderjährig.«
    »Habe ich denn keine Rechte?« Ich hole einen dritten Becher dazu.
    Er ignoriert es. Kaffee ist ein Aufputschmittel und nicht gut fürs Knochenwachstum. »Das

Weitere Kostenlose Bücher