Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fänger, gefangen: Roman

Fänger, gefangen: Roman

Titel: Fänger, gefangen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Collins Honenberger
Vom Netzwerk:
Freiheit bedeutet. Du bist wie außerhalb deiner Haut. Du bist ein Fisch.
    Mom stürmt aus der Kabine und klettert die Leiter hoch, kurz nachdem Dad auf das Oberdeck zurückgekehrt ist. Er hat wohl aufgegeben. Jetzt steht er wieder am Steuer und lenkt flussabwärts.
    »Ich suche eine Stelle, an der wir anlegen und alle schwimmen können.« Er winkt mir zu.
    Die aufkommende Brise weht Mom das Haar ins Gesicht, und sie muss es wegschieben, um mich zu sehen. Sie klettert und ruft zur selben Zeit.
    »Verstehst du es jetzt?« Sie schreit zu Dad, zeigt aber auf mich.
    Offensichtlich versteht er es nicht. Ich auch nicht.
    »Was ist los, Mom?«, rufe ich über das Motorengeräusch hinweg.»Wir wollen doch nur schwimmen gehen.«
    »Sag’s ihm, Red!«
    »Was denn?«, frage ich, die Hände klebrig von der Sonnencreme, die ich so dick auftrage, als würden wir sie selbst herstellen. Das war eine Eingebung, um Mom zu besänftigen, um ihr zu zeigen, dass ich vorsichtig bin. Wenn ich schon nicht zu dem perfekten Sohn heranwachsen kann, den sie sich immer gewünscht hat, kann ich ihr wenigstens die Genugtuung geben, dass ich auf ihre Warnung vor ultravioletten Strahlen höre.
    Gleichermaßen verwirrt zieht Dad die Augenbrauen hoch. Er hat keine Ahnung, was sie meint. Oder er denkt immer noch, wenn wir die großen Themen ignorieren, verschwinden sie von allein. Ohne darauf zu warten, dass er die Sache in die Hand nimmt, prescht Mom vor.
    »Nein, Daniel, du kannst nicht schwimmen gehen. Auf gar keinen Fall. Misty sagt, dein Körper kann diese Art von Belastung nicht mehr vertragen. Wenn du Wasser schluckst oder zu weit rausschwimmst ... schon der Schock des Temperaturunterschieds kann ausreichen.«
    »Ich bin diesen Sommer aber schon geschwommen.«
    »Das war etwas anderes. Im August hat das Wasser fast Lufttemperatur. Und du warst noch nicht so weit ...« Diesen Satz kann sie nicht beenden. »In kaltem Wasser müssen deine Lungen übermäßig arbeiten, und das belastet dein Herz. Und das bedeutet, dass du einen Herzinfarkt riskierst.«
    »Ein Herzinfarkt durch Krebs?«
    Mom sieht mich unverwandt an. »Genau so ist es. Misty sagt, sie wissen nicht, wo die bösen Zellen sitzen.«
    »Dad?« Meine Knie fangen an zu zittern. »Ist das wahr? Können die in meinem Herzen sein?«
    Endlich sagt er etwas, auch wenn sein Gesicht so reglos bleibt, als würde er das Einmaleins aufsagen. »Wenn der Krebs erst mal im Blut ist, kann er überall sein.«
    Man sollte meinen, dass das ausreicht, damit sie nicht mehr aufeinander rumhacken.
    Ich wickle mich in das größte Handtuch und lasse meine Badehose an. Ich bin noch nicht bereit, das Schwimmen ganz und gar abzuschreiben. Mit der zerknitterten Ausgabe vom
Fänger
, für den die Bibliothekarin mir doch nichts berechnet hat, weil sie noch drei weitere Ausgaben in der Kiste vom Freunde-der-Bücherei-Flohmarkt entdeckte, klettere ich in Dads Hängematte auf der Sonnenseite des Decks. Vielleicht hat HC ja irgendeinen Rat für einen, der giftige Chemikalien in seinen Körper gespritzt bekommt.
    Dad und Nick beschließen zu angeln. Sie witzeln herum, dass sie sich das Abendessen greifen wollen. Nick sortiert die Ausrüstung, während Dad das Boot zum Wind dreht und den Anker in einer mit Schilf umwachsenen Bucht auswirft. Wenn ich nicht so fertig wäre, würde ich mit ihnen angeln. Es würde Dads Idee, uns allen wenigstens vorübergehend das Leben zu erleichtern, unterstützen: unser fröhliches Familienabenteuer. Er ist es nicht gewohnt, der Stimmungskiller zu sein, aber es gibt keinen Grund, dass wir uns alle beschissen fühlen. Während die Sonne mir wie Akupunkturnadeln in die nackte Haut sticht, lese ich immer weiter und lasse ihre Stimmen um mich herum durch die Luft wehen.
    Holdens Kapitel über den Fahrstuhltypen, der kommt, um die fünf Dollar zu holen, hat mich schon immer irritiert. Wieso lässt diese Sunny zu, dass er Holden das antut? Sie sollte ihm doch dankbar sein. Holden hat sie gut behandelt. Sie musste nicht mal das tun, wofür sie eigentlich bezahlt wurde.
    Dass Holden sich so entschieden hat, kann ich gut verstehen. So gerne ich auch Sex haben möchte, mag ich mir nicht vorstellen, ihn mit einer völlig Fremden zu haben, so ganz kalt, ohne Stimmung, ohne Gespräch, ohne Beziehung. Sie kannte ihn nicht, und er war ihr egal. Es wäre rein mechanisch gewesen, ohne Gefühl. Sucht er so verzweifelt nach Gesellschaft? Mack sagt, nichts davon spielt eine Rolle, es passiert einfach. Das kann

Weitere Kostenlose Bücher