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Fänger, gefangen: Roman

Fänger, gefangen: Roman

Titel: Fänger, gefangen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Collins Honenberger
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Thomas, also gebe ich nach und ziehe sieben Steine. Natürlich kann ich
Party
legen und später
Quark
und fühle mich beschissen, als ich die höchste Punktzahl kriege.
    Am frühen, schönen Montagmorgen steht wieder mal der Sheriff am Creek. Nick ist schon zur Schule gegangen, und wir sind grade mit dem Morgenlob am Anlegesteg von June Parker fertig. Am Anfang, also als wir auf das Hausboot zogen, mussten wir uns an ein gewisses Timing gewöhnen: wann man den Wassertank nachfüllen und den Abwassertank leeren muss, wann man neues Gas für den Herd und Benzin für den Motor braucht und so weiter. Mom gab diesem ganzen Ablauf dann den Spitznamen Morgenlob, weil wir den ganzen Kram zuerst fast täglich machen mussten. Wir hatten ja noch keineAhnung, wie alles funktioniert. Der Witz hinter der ganzen Sache war perfekt, weil meine Eltern Mutter Natur über alles verehren, und dies waren grundsätzliche natürliche Dinge, zumindest für Hausbootbewohner. Das Morgenlob ist jetzt nicht mehr so lustig, nur noch unser Name dafür.
    Sheriff Jessup kommt mit dem Motorboot der Fischereigesellschaft übers Wasser. Er will wohl nicht das Risiko eingehen, dass wir nicht kooperieren könnten.
    Dad nimmt die Fangleine und schlingt sie um die Reling, aber er geht nicht näher, um dem Sheriff die Hand zu schütteln. »Im Gerichtsbeschluss stand Vormittag.«
    »Ich weiß. Da komme ich noch mal, um ihn abzuholen.«
    »Das wird nicht nötig sein.« Dad klingt eisenhart. »Ich denke, wir kriegen es hin, unseren eigenen Sohn ins Krankenhaus zu bringen.«
    »So steht es aber in der gerichtlichen Anordnung. Ihr könnt dem Polizeiwagen nachfahren. Und hinterher könnt ihr ihn nach Hause bringen.«
    »Gut. Wenn es so sein muss, gut.«
    »Tut mir leid, Stieg. Ich weiß, dass das wie eine endlose Schikane wirkt und persönlich.«
    »Es
ist
persönlich.«
    »Die Bezirksleute tun nur ihre Pflicht.«
    »Dann sollen sie ein Heilmittel für Daniel finden.«
    Während der langen Stille, die nun herrscht, fummelt der Sheriff an seinem Klemmbrett, um einen Stapel Unterlagen zu befreien. Ich beobachte alles von innen durch die Fensterschlitze und habe komische Gedanken – ohne es zu wollen, hat Dad die Sache haargenau getroffen, denn ein Heilmittel zu finden, ist genau das, was die vom Bezirksgericht versuchen. Nachdem Sheriff Jessup sich eine Notiz gemacht hat, reicht er Dad die Papiere, alle zusammengetackert und in verschiedenen Farben und für immer an der Stelle eingeritzt, wo sie wer weiß wie lange im Klemmbrett steckten.
    Dad liest sich alles schweigend durch, ein Blatt nach dem anderen, ohne den Kopf zu heben. Er sieht auch nicht auf, als der Sheriff die Leine losmacht, das Motorboot umdreht und vom Hausboot aus zurück zum Steg fährt. Sobald der Sheriff weg ist, reißt Mom Dad die Papiere aus der Hand.
    »Da steht nichts von Chemotherapie«, stellt sie fest.
    »Nein, nichts«, wiederholt Dad.
    »Das ist ein Strafbefehl, eine ganz andere Vorgangsnummer«, sagt Mom. »Sie zeigen uns wegen Vernachlässigung an. Wegen böswilliger Vernachlässigung.«
    »Ja.« Dad spricht im gleichen dumpfen Tonfall wie sie.
    Die Bezirksregierung hat gewonnen. Runde eins und Runde zwei. Ein weiterer Gerichtsbefehl, und plötzlich sind meine Eltern Verbrecher. Sie stehen völlig schockiert vor der Hauptkabine, in der ich so tue, als ob ich die Morgen-Talkshow verfolge. Als eine Gruppe Highschool-Kinder aus Oklahoma in die Kamera vor dem Rockefeller Center winkt, hab ich plötzlich eine Eingebung. Wir könnten das auch machen: unseren Fall in die Medien bringen und mit Plakaten wedeln, auf denen RETTET DANIEL steht oder BEFREIT DIE LANDONS. Aber jetzt ist wahrscheinlich nicht der richtige Moment für so einen Vorschlag, also hebe ich ihn für später auf.
    Mom raunt Dad zu: »Haben wir genug auf der Bank, dass ich Daniel nach Mexiko bringen kann?«
    Dad klingt so niedergeschlagen, wie ich ihn noch nie gehört habe. »Ich gebe auf. Ich kann nicht gegen dich
und
den Bezirk ankämpfen.«
    Ich habe das flirrende Flussufer aus
Apocalypse Now
vor Augen, als ich Mom und mich auf Eseln karge Berge überqueren sehe, unter blutroter Sonne, wie es in jedem Buch über Mexiko beschrieben wird. Wir kommen an unzähligen, leuchtend orangefarbenen Schmetterlingen vorbei und an diesen Kaktuspflanzen mit den großen gelben Blüten, die man in allen Wüstenszenen in Filmen sieht. In der Ferne schimmertder Horizont als türkis-violette Linie über den Sandhügeln. Versteht ihr jetzt,

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