Fänger, gefangen: Roman
was ich damit meinte, dass mein Leben aufregend wird?
Das Einzige, was ich wegen Mexiko bedauere, ist, dass ich Meredith dann Leonards schleimigem Angebaggere überlassen muss. Aber wenn die Heilmethode dort wirkt und ich als erfahrener Weltreisender zurückkehre, hat selbst ein Senatorensohn mit gestärktem Oberhemd keine Chance mehr. Tja,
wenn
ist hier das entscheidende Wort.
10
In einem Polizeiwagen zu fahren, ist nicht so prickelnd, wie alle tun. Sie bringen mich nur zur Praxis von Doktor Morley an der Route 360 in Mechanicsville. Meine Eltern sollen uns dort treffen, und dann werden die Ärzte offiziell die Chemotherapie verschreiben und eine Überweisung zur Behandlung am Medical College von Virginia in Richmond ausstellen, alles per Gerichtsbeschluss. Dort werden sie mich dann, laut Aussage des Sheriffs, mit den Zellgiften vollpumpen, auch wenn er das nicht wörtlich so sagt. Eigentlich sagt er während der ganzen Fahrt über fast gar nichts, außer dass er mich dreimal fragt, ob ich Hunger habe. Daher weiß ich, dass er das ernst meinte, was er zu Dad gesagt hat: dass ihm die ganze Sache leidtut.
Mit Sheriff Jessup im Wartezimmer ist Doktor Morley viel nervöser als bei meinen früheren Besuchen. Ich frage mich, ob er seine professionelle Meinung anzweifelt.
»Blöd, so im Mittelpunkt zu stehen, hm?« Er starrt auf seine Hände, vielleicht, um sich selbst von dem uniformierten Wachposten neben der geöffneten Tür abzulenken. Doch als er aufblickt, sieht er nicht zum Sheriff, sondern direkt zu mir. Bis jetzt ist Doktor Morley einer der wenigen Ärzte gewesen, die immer direkt mit mir geredet haben und nicht mit meinen Eltern über mich. Da ich der Patient bin, weiß ich das sehr zu schätzen, auch wenn Mom sich wahrscheinlich wünscht, er würde einiges von dem, was er sagt, lieber nur für sie aufheben. Jetzt, wo meine Situation per Gericht auf ein riesiges Diskussionsfeld gezerrt worden ist, hoffe ich auf ein paar Minuten allein mit dem Doc. Meine Fragen würden Mom nur aufregen.
»Kann ich mit Doktor Morley in seinem Sprechzimmer reden?«, frage ich.
Sheriff Jessup nickt. »Solange du nicht vorhast, durchs offene Fenster zu entwischen.«
»Ich werde ihn nicht in die Nähe des Fensters lassen«, sagt Doktor Morley, bevor er mir bedeutet, in den Behandlungsraum zu gehen.
Grund für meinen Vorstoß ist Merediths Vortrag über mein Recht, selbst Fragen zu stellen. Auch wenn mir klar wird, dass die gerichtliche Anordnung, mit der meine Eltern bestraft werden, dieses Recht fast wertlos macht. Aber Holden hätte bestimmt gefragt. Also lege ich los.
»Wie funktioniert so eine Chemo?«
»Du legst dich hin, und sie bereiten einen Zugang vor. Abgesehen von dem Pieks der Nadel tut das nicht weh. Sie werden dir zuerst ein Medikament gegen Übelkeit geben und dann wahrscheinlich Benadryl, weil das Mittel gegen Übelkeit dich zappelig macht.« Er beobachtet mein Gesicht, als könnte ich gleich in Tränen ausbrechen. »Es dauert dann eine Weile, bis alles in deinem Körper ist. Alle paar Minuten wirst du von den Schwestern kontrolliert. Sie müssen sehen, wie viel du verträgst, vor allem bei diesem ersten Mal.«
»Beim ersten Mal? Wird es denn mehr als eine Anwendung geben?«
»Wir haben vorerst drei geplant.«
»Wir?«
»Bei einer so komplizierten Krankheit wie AML beraten die Ärzte der verschiedenen Fachrichtungen gemeinsam. Und sie müssen die Reaktion deines Körpers beobachten, ohne gleich zu viel zu geben. Diese Medikamente sind teuer, und eine Art Versuchslauf spart auf Dauer Zeit und Kosten.«
Es ist vier Monate her, seit sie die Tumore vorn und hinten in meinem Hals, in den Lungen und wo auch immer gefunden haben. Vier Monate, seit sie verkündeten, mir bliebe noch ein Jahr. Der Begriff
auf Dauer
hat da eine ganz neue Qualität. Doktor Morley fährt fort, also denkt er wohl, weil ich nichts sage, bin ich bereit, mehr zu hören.
»Der knifflige Teil kommt, wenn wir die Therapie gezielt auf dich abstimmen müssen, nachdem wir gesehen haben, wie dein Körper reagiert. Jeder Mensch ist anders. Wenn man bedenkt, dass dein Magen dir jetzt schon Probleme bereitet, würde ich empfehlen, dass du nach der Anwendung erst mal ein paar Stunden nicht Auto fährst oder so etwas. Vielleicht musst du auch über Nacht bleiben, wenn es zu heftig wird. Oder wenn die Werte der weißen Blutkörperchen schlecht sind.«
»Werde ich kotzen und meine Haare verlieren?«
»Die Haare, ja, das passiert in etwa
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