Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fänger, gefangen: Roman

Fänger, gefangen: Roman

Titel: Fänger, gefangen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Collins Honenberger
Vom Netzwerk:
Ausschnitt seines V-Pullovers. Kein Sakko oder Blazer. Es passiert sicher selten, dass der Senator sich keine Gedanken darüber machen muss, Leute zu beeindrucken. Dass der Umkehrschluss – dass die Freunde seines Sohnes es nicht wert sind, beeindruckt zu werden –, im Grunde eine Beleidigung ist, trifft mich erst Minuten später, als ich Meredith nach unserem ersten Tanz eine Cola einschenke und mich beschissen fühle, weil Leonard sie abgeklatscht hat und mir nicht schnell genug was einfiel, weshalb ich es ihm hätte verweigern können. Verdammt, sie hätte doch Nein sagen können!
    Ich versuche, nicht dazustehen und sie anzustarren. Leonard dreht sie mehrmals hintereinander mit so viel Schwung unter dem Arm hindurch, dass Meredith gegen ihn geschleudert wird. Und dann dreht er sie wieder weg. Ich weiß, dass Leonard Tanzstunden hatte, deshalb weiß ich auch, dass diese exzessiven Drehungen einen ganz anderen Grund haben. Drecksack.
    Jungs haben nur ein Ziel vor Augen. Abgesehen von Holden, der Tanzstunden mit Sally oder Jane gehabt hat und durchdreht, als Stradlater so lange mit Jane ausgeht. Ein paar Kids auf Privatschulen, die ich kenne, machen diesen gesellschaftlichen Debütantenkram auch immer noch mit. Meine Eltern konnten sich keine teuren Tanzstunden leisten und würden wohl auch nicht verstehen, warum jemand das für wichtig halten könnte. Kein Wunder, dass Leonard ein viel besserer Tänzer ist als ich. Erstens hat er bestimmt schon seit drei oder vier Jahren Tanzstunden. Und zweitens hat er viel mehr Erfahrung mit Mädchen, Punkt.
    Er ist so selbstbewusst, dass die Leute automatisch annehmen, er wüsste, was er tut. Um ehrlich zu sein, ist mir so was völlig egal. Ich will nicht fein und vornehm sein, ich will nur mit Meredith tanzen können, ohne dabei dämlich auszusehen.
    Stepford-Hanes würde sagen, ich solle einfach den Tag nutzen. Carpe diem. Sie sieht alles so klar. Dabei wird sie nie persönlich oder macht dich runter, und zwar deshalb, weil sie dich zum Lachen bringt. Sie gehört zu den Lehrern, bei denen du vom ersten Tag an weißt, dass du sie nie vergessen wirst. Sie sieht dich, dein wahres Ich, und nicht nur fünfundzwanzig nägelkauende, vulgär textende Teenager. Ich vermisse ihren Unterricht. Ich vermisse sie.
    Allein zu lernen, ist nicht dasselbe. Es gibt keine Späße, keine Witzbolde, keine Papierflieger aus der hintersten Reihe, keine anderen Idioten, zwischen denen du dich besser fühlst. Ich vermisse auch ihre Stimme. In ihr liegt etwas Drängendes, wie es für Menschen aus dem Norden typisch ist. Dieses Drängende, das keine Zeitverschwendung erlaubt. Nicht kalt oder streng, einfach nur:
Lass uns zum Punkt kommen!
    Ich sollte sie besuchen, mit ihr über Holden und die Hotelzimmerszene reden und darüber, wie er Phoebe austrickst, als sie mit ihrem Koffer ankommt, eins der wenigen nicht aufrichtigen Dinge, die er im ganzen Buch macht.
    »Stopp, stopp, mein Junge.« Senator Yowell packt mein Handgelenk, damit die Cola nicht weiter über den Becherrand fließt. Auf dem Schrank sind schokoladenbraune Flecken, und auf dem Boden hat sich eine Pfütze gebildet.
    »Ach, du Schande!«, sage ich schockiert. »Tut mir leid, Sir. Das war sehr unaufmerksam von mir. Ich hab gerade an was anderes ... Ich hab geträumt und nicht aufgepasst.«
    »Na, dann hoffe ich, du hast das Rad neu erfunden.« Er lächelt breit und reicht mir einen Schwamm.
    Während ich die zischende Pfütze aufwische und den Schwamm über der Spüle ausdrücke, kommt mir der Gedanke, dass er hier über seinen Besitz, sein Haus, seine Familie wachen will. Auch er ist ein Vater. Obwohl er die Tür freigibt, als Meredith aus dem zweiten Wohnzimmer kommt, bleibt er weiter im Raum. Wahrscheinlich will er sichergehen, dass ich den Schlamassel behebe und unter seiner Aufsicht keine weiteren Schäden entstehen. Auf diese Weise kontrolliert zu werden, also dass da einer hinter mir steht, bin ich nicht gewöhnt. Meine Eltern müssen kein Image aufrechterhalten, und es gibt nichts, wovor sie sich schützen müssen, außer dem, was das Leben so mit sich bringt. Ich bin nicht sicher, ob Dad überhaupt merken würde, wenn ich etwas auf den Fußboden verschütten würde.
    Leonard folgt Meredith in die Küche. Er drängt sich an seinem Vater vorbei. Sein Kostüm ist echt schwach, ein Baseball-Trikot über einer Jeans. Das neuerdings unvermeidliche Button-Down-Hemd lugt unter dem Ausschnitt hervor. Als ich ihn zu Beginn der Party fragte,

Weitere Kostenlose Bücher