Fänger, gefangen: Roman
wer er sei, sah er Meredith direkt in die Augen und sagte: »Barry Bonds, gedopt.« Was für ein Affe! Barry Bonds galt mal als bester Baseballspieler aller Zeiten – und er ist schwarz! Aber er war auch einer der unbeliebtesten, weil arrogant und überheblich – okay, das passt zumindest. Jedenfalls tritt Leonard jetzt fast auf ihr Doppelgängerlaken, um an ihr dranzubleiben. Es wäre fast komisch, wenn es mich nicht so sauer machen würde.
Letztes Jahr hatte er eine Freundin, Sarah Messimer. Also, eigentlich hatte er schon mehrere. Sarahs Vater ist Immobilienanwalt hier in der Stadt. Leonard und Sarah waren ein perfektes Paar. Sie trug ihre Schuhe passend zum Pullover. Keine Ahnung, was Leonard angestellt hat, aber es nahm ein abruptes Ende, und er weigerte sich, darüber zu sprechen. Mack und ich denken beide, dass sie ihn vielleicht einfach durchschaut hat. Oder dass er zu schnell mehr von ihr wollte. Er hat diese Aura von forderndem Edelaufreißer, so nach dem Motto, dass kein Mädchen ihm widerstehen kann.
Nur weil Meredith neu in der Stadt ist, muss er auf Konkurrenz machen und beweisen, dass er der Bessere von uns ist. Das ist wie mit Nicks Ehrgeiz im Fußball, nur irgendwie verdreht, weil Leonard und ich eigentlich Freunde sein sollten. Freunde spannen sich nicht gegenseitig die Freundin aus.
Er dreht sich um und schenkt seinem Vater einen kritischen Blick. »Ich denke, wir haben das jetzt unter Kontrolle, Dad. Wartet Mom nicht oben auf dich, um diesen Film anzusehen?«
Als Senator Yowell irritiert den Mund aufmacht, ohne was zu sagen, muss ich sofort wegsehen. Er ist so schockiert, dass er nicht weiß, was er erwidern soll, und das ist eine für ihn als Politiker peinliche Pose. Die Macht der Jugend. Oder vielleicht geht es mehr darum, dass Leonard vor Meredith angeben will. Wie auch immer es gemeint war, es kommt als Affront gegen seinen Vater rüber. Ich mag ihn immer weniger.
Ich reiche Meredith ihr Getränk und wedele mit meinem Piratenhaken am linken Arm. »Zeit, über die Planke zu geh’n, du Schurke.«
Und obwohl ich es kaum glauben kann, versteht sie meinen Wink. Sie geht an Leonard vorbei, hängt ihren kleinen Finger in meinen Haken und zieht mich auf die Veranda.
»Alles klar bei dir?«, will sie wissen und sieht sich eingehend um, als könnten hier jede Menge Paare in den Ecken versteckt herumknutschen, auch wenn mir alles leer und verlassen vorkommt.
»Ich hab die blöde Cola verschüttet wie ein Fünfjähriger.«
»Warum hast du mich dem Doping-King überlassen?«
»Er ist doch überall.«
»Ja, überall, wo
er
sein will
«,
sagt sie.
»Und das ist nicht da, wo ich sein will.«
»Willst du denn nicht mit mir tanzen?« Sie klingt echt verletzt, und das macht mich fertig.
»Nein, so meinte ich das nicht«, sage ich zu ihr. »Natürlich will ich mit dir tanzen. Ich fand es toll, mit dir zu tanzen ... das eine Mal, als wir’s gemacht haben. Tanzen, meine ich. Ich würde ewig mit dir tanzen.«
Ich plappere wie ein Idiot, aber als ich sehe, dass sie irgendwie gerührt ist, merke ich, dass es wohl keine schlimme Art von Idiot ist. Als ich den Arm hebe, um sie zum Tanzen aufzufordern, kracht mein Haken in die Fliegentür, die zum Pool führt. Zum Glück ist sie aus Plastik, sonst würde bestimmt gleich wieder Senator Yowell ankommen, mit einer Rolle Fliegengaze und einer Wegbeschreibung zu seinem Tacker.
»Fuck!«, sage ich. Dann: »Verdammt, wie vulgär. Entschuldige.«
Meredith kichert. »Du musst dich nicht entschuldigen. Ich hab das Wort schon mal gehört. Außerdem sind Piraten sowieso anders drauf als andere Leute.«
»O ja, ich habe dich gewarnt, dass ich anders bin.«
Sie streckt einen ihrer schwarzen Arme aus, streichelt meinen Haken und zieht am Ärmel der Schifferjacke meines Vaters, die ich anhabe, um das Klebeband zu kaschieren. Es überrascht mich immer noch, dass die Jacke gar nicht so sehr zu groß ist. Komisch, dass ich immer noch wachse, obwohl die KRANKHEIT mein Blut verseucht.
»Wie ist das Ding befestigt?« Sie zieht den Ärmel zu ihrem Gesicht hoch.
»He, streng geheim. Ich frag dich ja auch nicht, was unter deinem Doppelgängerlaken ist.«
Als sie die Treppe zur Terrasse am Swimmingpool runtergeht, bleibe ich dicht hinter ihr. Leonard, Mack und ich haben Stunden in diesemPool verbracht. Er hat breite Stufen, die genau zum geschwungenen Betonrand und den Designerkacheln passen. Meine Mutter wollte gar nicht wissen, wie er aussieht; sie findet es
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