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Fänger, gefangen: Roman

Fänger, gefangen: Roman

Titel: Fänger, gefangen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Collins Honenberger
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sie sich hochdrückt und über mich rutschen will, halte ich sie fest. »Warte. Ich hab ein Geschenk für dich.«
    »Das merke ich.« Sie lässt sich passend auf mich absinken, ihre Zehen berühren meine nackten Knöchel.
    »Nicht das.« Wir kichern, prusten und lachen. Als ich Salz schmecke, schiebe ich sie weg, greife mir ein Handtuch, halte es mir an die Nase und senke den Kopf. Wieder Nasenbluten. »O Gott, mit mir ist nichts anzufangen.«
    Sie nimmt mich in den Arm. »Vielleicht bin ich ein Vampir.«
    »Ja, das ist endlich mal ein tröstender Gedenke. Ewigkeit in Transsylvanien.«
    Auf jeden Fall besser als Weihnachtsferien in Tappahannock ohne Meredith.
    Während Joe Meredith nach Hause fährt, kümmert Mom sich um das zweite Nasenbluten. Diesmal ohne Geschrei. Erstaunlich, wie schnell sich ein Mensch anpasst.
    »Sie ist ein nettes Mädchen«, sagt Mom.
    »Nett – soll heißen: Nutze sie nicht aus?«
    »Ich meinte nur«, sagt Mom, »dass sie das Herz auf dem rechten Fleck hat. Sie hat dich wirklich gerne.«
    »Du meinst, es ist schwer zu glauben, dass ein Mädchen wie Meredith einen Jungen wie mich mögen kann?«, frage ich, verwirrt, dass Mom trotz ihrer Bemühungen, mich durch Isolation zu schützen, bereit ist, jemanden in den inneren Kreis zu lassen. Wäre sie genauso großmütig, wenn Meredith eine andere Art Mädchen wäre? Ist sie so großmütig, weil sie mir auf dem Sterbebett noch Glück verschaffen will? Wäre sie genauso verständnisvoll, wenn Meredith einfach nur das erste von vielen, vielen Mädchen wäre, die meine Loyalität meinen Eltern gegenüber untergraben?
    Mom drückt meinen Kopf nach unten, um den Blutfluss zu stoppen. »Hör auf, die Böse in mir zu sehen. Ich habe das Nasenbluten nicht bestellt. Ich habe auch nicht ihren Vater angerufen und gesagt, dass er sie einladen soll.«
    »Deswegen kann ich doch trotzdem sauer sein.«
    Sie denkt nach. »Ja, okay, das ist wohl fair.« Sie macht Kreisbewegungen mit der Hand, die mich wohl ermutigen sollen. »Dann weiter, lass los. Was ärgert dich sonst noch?«
    Plötzlich bin ich wieder der kleine Junge, dem die Mutter erlaubt zu jammern und zu klagen, weil er hungrig oder müde ist. Holden wäre das unendlich peinlich. Er würde flüchten. Selbst als Antolini die Grenze überschritt, hat Holden nicht gejammert. Er hat eine Entscheidung getroffen und danach gehandelt.
    Mom legt meine Hand auf den Eisbeutel und zieht die Bettdecke glatt.
    »Leg dich wieder hin«, sagt sie. »Misty empfiehlt zwei Tage Bettruhe.« Sie setzt sich hin und wartet, bis ich wieder liege, dann rückt sie noch mal den Eisbeutel und das Handtuch zurecht.
    »Schimpf ruhig los, Daniel, ich hör zu.«
    »Egal. Es ist ja nicht so, dass sie ganz nach Colorado umzieht. Es ist nicht für immer.«
    »Nein«, sagt Mom. »Das ist es nicht.«

15
    An einem Samstagmorgen im Januar fährt Senator Yowell mit seinem weißen Chevrolet Geländewagen in die Auffahrt zu unserer Wohnung. Unser Subaru wirkt daneben wie ein Zwerg. Da die Vorlesungen erst in einer Woche beginnen, ist Joe noch da. Er schläft auf einem Feldbett im Wohnzimmer. Nachts liegt er meist lange wach und liest Bücher auf Deutsch und Französisch, die vor über hundert Jahren geschrieben wurden. Als er die Wohnungstür aufmacht, bespreche ich gerade mit Meredith am Telefon, welchen Film wir später sehen wollen. Sie hat angeboten, nachher auf dem Weg zu mir bei der Videothek vorbeizugehen. Nick übernachtet bei einem Fußballkollegen, und Joe hat schon einen Plan entworfen, wie er Mom und Dad irgendwohin mitnimmt, damit Meredith und ich ein bisschen Zeit für uns haben. Wenn ich Müdigkeit vorschütze, ist Mom nur schwer zu überzeugen, dass sie weggehen kann.
    Das Wunderbare an der Wohnung ist, dass hier alles so viel leichter ist als auf dem Boot. Ich war überrascht, wie schnell ich vergessen hatte, wie es an Land so läuft. Wir müssen unseren Besuch nicht mehr hin und her übers Wasser bringen. Wir haben jetzt viel Besuch. Und die zweite wunderbare Überraschung ist, dass der Typ, der sonst hier wohnt, sein Telefon nicht abgemeldet hat. Es gibt also kein Minutenlimit mehr wie beim Handy.
    »Joe, schön, dich zu sehen. Noch Ferien?« Senator Yowells Stimme hallt wie ein Ghettoblaster in einer Tiefgarage. Das Schweigen bedeutet, dass sie jetzt die Hände schütteln. Weil Politiker immer so viel Hände schütteln wollen, hab ich Leonard mal gesagt, es müsse da wohleinen geheimen, unbewussten Code geben, der von Hand zu

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