Fänger, gefangen: Roman
haben. Mehr Verkehr und mehr Straßen schädigen das Ökosystem und fördern die globale Erwärmung. Zwei ihrer Lieblingsthemen.
Senator Yowell setzt sich, steht aber bald schon wieder auf. Aus dem hinteren Schlafzimmer hören wir Joe mit Mom und Dad verhandeln. Die Schranktür wird geöffnet und geschlossen. Die Toilettenspülung betätigt. Nach einem faulen Samstagmorgen mit der Zeitung im Bett müssen die beiden sich nun anziehen.
»Wie geht es dir, Paul?« Dad ist als Erster draußen, barfuß. Er krempelt die Ärmel hoch und lächelt. »Tut mir leid, dass du warten musstest. Mit Nicks Fußballspielen und Daniels Geschichte haben Sylvie und ich in letzter Zeit nicht mehr oft Gelegenheit, auszuschlafen.«
Senator Yowell tritt vor und schüttelt ihm die Hand. »Tatsächlich ist Daniels Geschichte der Grund, weshalb ich hier bin.«
»Aha?«
»Ich warte lieber noch auf deine Frau.«
»Sicher, sicher. Wie wär’s mit Kaffee?«
»Nur, wenn er schon fertig ist. Ich hab zu Hause welchen getrunken. Darf dieses alte Herz nicht mehr so sehr belasten.«
Dad sieht zu mir, wie ich auf der Heizung sitze und auf die Straße hinausschaue. »Hast du nicht noch Hausaufgaben zu machen, Daniel?«
»Ich habe ihn gebeten, hierzubleiben«, sagt der Senator und steht so ungelenk da wie beim Plumpsack, wenn du zu langsam warst. Abgesehenvon der Nacht der Party, als Leonard ihn praktisch aus der Küche geworfen hat, hab ich ihn nie zuvor so komisch aus der Wäsche gucken sehen. Der dunkle Anzug und die gestreifte Krawatte reichen aus, dass er in unserer Wohnung fremd wirkt. Die Yowells und meine Eltern sind nicht so eng miteinander befreundet, dass sie sich gegenseitig nach Hause zum Essen einladen oder zusammen ins Kino gehen. Aber sie treffen sich wohl auf Partys anderer Leute und haben dort Kontakt. Und der Senator und meine Eltern duzen sich.
Während meine Mutter durch den Flur kommt, fährt sie sich mit den Fingern durch die Haare, als wär ihr eben eingefallen, dass sie sich noch nicht gekämmt hat. Dad wirkt wie hypnotisiert von ihrer Erscheinung. Was ein guter Hinweis darauf ist, dass sie da hinten nicht wirklich geschlafen haben. Er zwinkert ihr zu und wird rot, als er merkt, dass ich es gesehen habe. Mom kriegt nichts mit. Sie geht direkt zu Senator Yowell und nimmt ihn kurz in den Arm.
»Das ist ja so lieb von dir, dass du das tust, Paul.«
Dass er was tut? Ich bin völlig verwirrt. Hat die Vernachlässigungsklage uns derart zu sozial Ausgestoßenen gemacht, dass es gefährlich ist, zu uns nach Hause zu kommen?
So lieb von dir, dass du das tust?
Was hat er getan, außer einen perfekten Samstagmorgen zu stören mit der Anspielung auf die peinlichste Sache, die den Landons je passiert ist – verursacht durch die Unfähigkeit meines Körpers, die richtige Art von Blutkörperchen zu bilden?
»Wäre es am Küchentisch praktischer?«, will Mom wissen. »Mit Stift und Papier?«
»Gute Idee.« Er folgt ihr in die Küche, dann folgt Dad den beiden, und ich bleibe auf der Heizung sitzen und frage mich, was mit mir los ist, dass ich nicht verstehe, wovon zum Teufel die reden und seit wann sie die besten Freunde sind.
»Daniel«, ruft Dad. »Wir warten auf dich.«
Ich werde immer neugieriger.
Während der Senator über das bestehende Gesetz redet und die Gründe, warum das Jugendamt Klage gegen Mom und Dad eingereicht hat, hören wir zu, ohne ihn zu unterbrechen. Walker hat ihnen das bereits alles erklärt, wahrscheinlich sogar mehr als ein Mal, aber ich habe bisher immer nur Bruchstücke mitbekommen. Der Vortrag des Senators ist sehr langatmig. Dennoch bin ich beeindruckt, wie sehr er sich mit den Details auskennt. Ich hätte nicht gedacht, dass er einem so kleinen Fall in seinem Wahlbezirk so viel Aufmerksamkeit schenken würde.
Er lächelt abwechselnd zu Mom und zu Dad. Es sieht so aus, als wollte er dafür sorgen, dass sie allein durch den Augenkontakt immer weiternicken. »Natürlich wisst ihr«, sagt er, »dass die diesjährigen Sitzungen zur Gesetzgebung bereits in Gang sind. Die Zeit läuft uns davon. Ich habe den Text des neuen Gesetzentwurfs mitgebracht, der euch allerdings nicht viel sagen wird mit all dem Rechtskauderwelsch. Kernaussage ist, dass es dem Gericht bei Vernachlässigungs- und Miss-brauchsfällen eine Hintertür offen lässt, wenn die oder der Jugendliche mindestens vierzehn ist und über alle medizinischen Aspekte und Behandlungsmöglichkeiten aufgeklärt wurde. Und natürlich wenn er oder sie
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