Fahr zur Hölle Mister B.
wurde. Shamit, zum Beispiel. Oder dem Erzbischof, der seinen Vorgänger auf dem Scheiterhaufen verbrannte. Aber ich weiß nicht, wie man etwas erfindet. Ich kann Ihnen nur berichten, was ich gesehen und empfunden habe. Ich fand nie heraus, was aus Cawleys Leuten wurde, oder dem Erzbischof, dem Vater des Mädchens hinter dem Felsen. Und darum kann ich es Ihnen auch nicht sagen.
Sie sehen immer noch her. Sie folgen Zeile für Zeile mit Ihrem Blick, als würde ich mich plötzlich in einen meisterhaften Geschichtenerzähler verwandeln und mir wunderbare Wendungen einfallen lassen, um alles zu einem logischen Schluss zu bringen. Aber wie ich Ihnen schon sagte, ich bin gewissermaßen ausgebrannt. Ich habe nichts mehr in mir.
Warum machen Sie es mir denn so schwer? Haben Sie einfach Erbarmen mit mir, ich flehe Sie an. Ich liege, bildlich gesprochen, in diesem Buch auf meinen Knien in der Gosse und flehe Sie an.
Verbrennen Sie das Buch, verbrennen Sie es doch einfach. Ich bin müde. Ich will nur noch sterben, ins Dunkel eingehen, und Sie sind die einzige Person, die mir diesen Wunsch erfüllen kann. Ich habe zu lange geweint, ich habe zu viel gesehen, ich bin einfach erschöpft und wünsche mir den Tod, also bitte, bitte, bitte, lassen Sie mich brennen.
Bitte –
lassen –
Sie –
mich –
brennen.
- - -
Nicht?
Verstehe. Gut, Sie haben gewonnen.
Ich weiß, was Sie wollen. Sie wollen wissen, wie ich von den Reisen mit Quitoon zwischen die Seiten eines Buches gelangte. Habe ich recht? Warten Sie darauf? Ich hätte das verdammte Geheimnis niemals erwähnen dürfen. Doch es ist nun mal geschehen. Und wir sind immer noch hier und belauern einander.
Ich nehme an, es ist verständlich, wenn ich darüber so nachdenke. Wäre die Situation umgekehrt und ich hätte ein Buch in die Hand genommen und jemanden gefunden, der schon davon Besitz ergriffen hat, wüsste ich auch gern das Warum und Wann und Wo und Wer.
Also, das Wo ist eine kleine Stadt namens Mainz in Deutschland. Und das Wer ist ein Mann namens Johannes Gutenberg. Was das Wann angeht, bin ich nicht ganz sicher. Mit Jahreszahlen war ich noch nie gut. Ich weiß, es war Sommer, denn es war unangenehm schwül. Was das Jahr angeht, glaube ich, schrieb man 1439, aber ich könnte mich auch um ein paar Jahre plus oder minus irren. So, jetzt haben wir Wo, Wer und Wann. Was war da noch gleich? Oh, das Warum. Natürlich. Die große Frage. Warum?
Ganz einfach. Quitoon führte uns dorthin, weil er gehört hatte, dass dieser Gutenberg eine Art Maschine erfunden hätte, und die wollte er sehen. Und so begaben wir uns dorthin. Wie ich schon sagte, war ich noch nie gut mit Jahreszahlen, glaube aber, dass Quitoon und ich da schon an die 100 Jahre zusammen reisten. Im Leben eines Dämons ist das nicht besonders lang. Einige in der Dämonation sind so gut wie unsterblich, da sie Nachkommen einer Paarung zwischen Luzifer und einer Frau der Ersten Gefallenen sind. Bedauerlicherweise gehöre ich nicht zu den Reinrassigen. Meine Mutter behauptete stets, dass ihre Großmutter zu den Ersten Gefallenen gehörte; wenn das stimmt, bedeutet es, ich hätte 4000 bis 5000 Jahre leben können, wäre ich nicht in einen Wust von Wörtern hineingeraten. Egal, wichtig ist nur dies: Weder Quitoon noch ich alterten. Unsere Muskeln schmerzten nicht oder verkümmerten, unsere Sehkraft ließ nicht nach, unser Gehör wurde nicht unzuverlässig. Wir lebten dieses Jahrhundert, frönten sämtlichen Exzessen, die die Oberwelt zu bieten hatte, und ließen nichts aus.
In den ersten Monaten lernte ich von Quitoon, mich von Schwierigkeiten fernzuhalten. Wir reisten nachts, mit gestohlenen Pferden, die wir alle paar Tage wechselten. Ich bin Tieren nicht besonders zugeneigt. Ich kenne keinen Dämon, der das wäre. Vielleicht befürchten wir, dass ihr Dasein dem unseren ein wenig zu sehr ähnelt und es keiner nennenswerten Anstrengung des Gottes der Genesis und der Offenbarung, des Schöpfers und Zerstörers bedürfte, damit wir auf allen vieren gehen und uns die Menschen Halsbänder anlegen und uns an Leinen spazieren führen. Nach einer gewissen Zeit verspürte ich Sympathie für diese Tiere, die wenig mehr als Sklaven waren, die sich aufgrund ihres Unvermögens, zu sprechen, nicht gegen ihr Sklavendasein wehren oder wenigstens ihre Leidensgeschichten erzählen konnten. Ochsen wurden ins Joch gezwungen und mussten sich den ganzen Tag abrackern, die harte Erde zu pflügen; geblendete Singvögel zwitscherten sich
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