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Fahr zur Hölle

Fahr zur Hölle

Titel: Fahr zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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nicht kannte. Die Erfahrung sagte mir, dass sie genau am Schauplatz standen.
    Jeder Tatort zeigt dasselbe Verteilungsmuster der Leute. Man kann es lesen wie eine Karte. Der Medical Examiner beim Opfer, vielleicht mit einem Detective oder einem Todesermittler in der Nähe. Ein äußerer Ring aus Uniformierten, die mit niemandem sprechen. In oder vor ihrem Transporter die Techniker der Spurensicherung und der Leichenhalle, die untätig und gelangweilt herumsitzen, bis ihre Dienste gebraucht werden.
    Trotz der drückenden Feuchtigkeit trug Larabee einen Tyvek-Overall. Hinter ihm in der Werkstatt konnte ich den Chevy Nummer 59 sehen, das Heck in einem merkwürdigen Winkel hochgestellt. Die aufgemalten Rücklichter wirkten im grellen Licht der Deckenröhren stumpf und flach.
    »Tempe«, sagte Larabee, als er mich sah. »Danke, dass Sie gekommen sind.«
    »Natürlich.«
    Larabee deutete mit dem Kopf auf den Mann in Hemd und Krawatte. »Mickey Reno. Vom Sicherheitsdienst der Rennstrecke.«
    Reno hatte zu viele Grillfeste und zu wenige Hanteln gesehen. Sein früher muskulöser Körper zeigte deutliche Verfettungserscheinungen.
    Ich streckte die Hand aus, und er nahm sie.
    »Warum bin ich hier?«
    »Haben Sie einen Overall dabei?«
    Als Antwort hob ich meinen Koffer.
    »Ziehen Sie ihn an. Und nehmen Sie mit, was Sie brauchen. Da drin ist es ziemlich eng.«
    Larabees Ton sagte mir, dass es schlimm war.
    Ich stellte meinen Metallkoffer auf den Boden, klappte ihn auf, zog einen Overall heraus und streifte ihn mir über die Kleidung. Nachdem ich mir eine Kamera um den Hals gehängt hatte, steckte ich mir Gummihandschuhe, Probenröhrchen aus Plastik, Ziploc-Beutel, Pinzetten und einen Sharpie-Marker in die Tasche.
    Als ich alles verstaut hatte, zeigte ich mit einem Nicken, dass ich so weit war.
    »Ich gehe von links rein, Sie von rechts«, sagte Larabee.
    Eng war eine Untertreibung. Die Werkstätten, die NASCAR-Fahrern auf Rennstrecken zugewiesen werden, sind mikroskopisch klein. Das Auto nimmt fast den gesamten Raum ein. Die Crew arbeitet darum herum und darunter.
    Larabee trat ein und schob sich seitlich, mit dem Rücken an der Wand, zum hinteren Ende durch. Ich tat dasselbe, so dass wir uns, mit dem Chevy zwischen uns, direkt gegenüberstanden.
    Ich bemerkte die vertrauten Gerüche, die sich mit dem Gestank von Benzin und Öl vermischten. Urin. Fäkalien. Ein süßlicher, kupferiger Geruch.
    Wieder packte eisiges Schuldbewusstsein meine Brust.
    Lass es.
    Ich war etwa eineinhalb Meter gegangen, als ich unter den Sohlen meiner Turnschuhe etwas Glitschiges spürte.
    Ich schaute nach unten.
    Es schien mehr Blut zu sein, als aus einem einzigen menschlichen Körper kommen konnte. Die Lache reichte von Wand zu Wand und bedeckte den halben Boden.
    Durch den Mund atmend, ging ich weiter.
    Als ich die Motorhaube des Autos erreichte, verstand ich den Grund für dieses entsetzliche Blutbad. Und den Grund für meine Anwesenheit.
    Wayne Gambles Leiche lag neben dem rechten Vorderreifen auf dem Rücken, die Beine nach links verbogen, die Arme ausgestreckt und nach links geworfen.
    Wayne Gamble war der Kopf abgerissen worden, als der Chevy mit großer Wucht und Geschwindigkeit vorwärtsgeschossen war, Kopf und Hals gegen die Rückwand der Werkstatt gepresst und sie zerquetscht hatte. Beim Aufprall waren Knochen und Hirnmasse in alle Richtungen gespritzt.
    Ich spürte ein Zittern unter meiner Zunge, schluckte und atmete einmal tief durch.
    Als ich meine Gefühle wieder unter Kontrolle hatte, kauerte ich mich hin, um mir die Situation genauer anzusehen. Larabee auf der anderen Seite des Autos tat dasselbe.
    Am zerdrückten Metall, das die Motorhaube und die Motorfront des Chevys gewesen war, sah ich noch mehr blutiges Gewebe, Haarbüschel und einzelne Zähne kleben sowie Knochenfragmente, zu denen auch Teile von Ober- und Unterkiefer mit intakten Gebissresten und mehrere große Schädelteile gehörten.
    »Keine Chance auf eine visuelle Identifikation«, sagte Larabee.
    »Nein«, pflichtete ich ihm bei.
    »Hat er Familie?«
    »Soweit ich weiß, nicht. Seine Eltern sind tot.«
    Larabee schaute zu, wie ich Fotos schoss.
    »Ich wollte sie das Auto nicht bewegen lassen, bevor Sie sich diese Sauerei hier angeschaut haben.«
    »Gute Idee«, sagte ich und zog Latexhandschuhe an. »Falls es keine Verwandten mehr gibt, die DNS für einen Abgleich liefern können, könnten die Zähne wesentlich für eine eindeutige Identifikation sein, auch wenn wir

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