Fahrstunde in den Tod (Emsland-Krimi) (German Edition)
wüsste, warum
Sie mich hier festhalten, ginge es mir viel besser.«
»Herr
Reichert, woher kannten Sie Schuster?«
»Vom
Bund.«
»Könnten
Sie etwas präziser werden? Wann war das?«, fragte de Boer und verscheuchte eine
Fliege, die sich surrend vor seinem Gesicht bewegte.
»Wir
haben uns im April 1999 kennengelernt, als wir im gleichen Kontingent SFOR
zusammengezogen wurden.« Er verschränkte seine Hände vor der Brust und wippte
mit dem Stuhl, blickte starr geradeaus.
»SFOR
war doch in Serbien, oder?«, mutmaßte Winkler. Er konnte sich nicht mehr auf
das Gespräch mit Reichert vorbereiten, also musste er sich vorerst mit dem
begnügen, was er ihm erzählte.
»Bosnien-Herzigowina,
nicht Serbien. In Sarajevo lag das Hauptquartier. Und wir waren im dritten
Kontingent. April bis August 1999«, belehrte er die Kommissare.
»Wie
sind Sie zusammengetroffen? Schuster und Sie? Erzählen Sie uns, was Sie da
gemacht haben.«
»Wenn
ich einen Kaffee bekomme und eine rauchen darf, erzähle ich es Ihnen.«
Also
wurde eine Zigarettenpause eingelegt und reichlich Kaffee geordert.
Kapitel 41
Diesmal hatte er gleich drei Zigaretten geraucht. Die ganze
Zeit stand er an der Hauswand angelehnt und beobachtete den vorbeifließenden
Straßenverkehr. Winkler und de Boer standen mit ihm draußen vor der Tür, und
obwohl sie mehrfach versucht hatten, ihn in ein Gespräch zu verwickeln,
antwortete er nicht auf ihre Fragen oder Bemerkungen. Nur wenn ein
Fahrschulwagen vorbeifuhr und der Fahrlehrer ihn grüßte, nickte er zurück.
Als
er den Becher Kaffee ausgetrunken hatte, wandte er sich zu den Polizisten.
»Können wir weitermachen?«
»Halten
Sie es nun auch ohne Kippen aus?«, fragte de Boer zurück und zog die Stirn
kraus.
»Wir
wissen nun, dass Sie mit Schuster 1999 in Bosnien-Herzigowina gewesen sind«,
begann Winkler wieder mit der Vernehmung, als sie gemeinsam am Tisch saßen.
»Was hatten Sie dort zu tun?«
»Unsere
Einheit war für Unterhaltung der Kraftfahrzeuge des Stabes zuständig. Schuster hat
die Fahrzeuge überprüft, wenn Schäden gemeldet wurden, und ich habe die
Ersatzteile besorgt.«
»Er
war doch Fahrlehrer beim Bund. Wieso hat er dann die Prüfungen an den
Fahrzeugen gemacht?«, wollte de Boer wissen. Ihm kam die ganze Sache komisch
vor.
»Gerd
gehörte zu einer Prüfgruppe und war amtlich anerkannter Prüfer. Er hatte eine
Zusatzausbildung gemacht, somit war er auch befugt, Prüfungen abzunehmen. Einer
muss ja feststellen, was kaputt ist und ausgetauscht werden soll«, gab er
lächelnd zurück.
»Er
stellte die Mängel fest und Sie besorgten die Teile? Ist das so richtig?«
Winkler kratzte sich am Kinn.
»Korrekt!«
»Und
woher kamen die Ersatzteile?«
»Hauptsächlich
aus Deutschland. Sie wurden eingeflogen. Hat etwas gedauert, aber der Nachschub
funktionierte. Es konnte alles, was benötigt wurde, bestellt werden. Vom
Ersatzmotor bis zur kleinsten Schraube.«
»Gut.
Uns ist klar, was Sie dort dienstlich gemacht haben. Wie haben Sie Ihre
restliche Zeit verbracht? Ich meine, so nach Feierabend?« Winkler ahnte die
Antwort, weil sein Gegenüber den Kopf schüttelte.
»Nach
Feierabend?«, lachte er laut und lehnte sich zurück. »Es gibt keinen
Feierabend. Denken Sie, wir verlassen die Werkstätten und fahren mit dem
Fahrrad nach Hause? Mann, was sind Sie ahnungslos. Wir waren im Kriegseinsatz!
In der dienstfreien Zeit hielten wir uns im Camp auf. Freizeitaktivitäten gab
es reichlich, aber immer im Camp und das unter scharfer Bewachung.« Er lachte
immer noch.
Winkler
und de Boer warfen sich einen Blick zu. Der Kerl nervte sie gewaltig und dachte
wohl, er wäre hier zum gemütlichen Stelldichein bei Kaffee und Zigaretten
eingeladen worden. Alles auf Staatskosten.
»Wir
können uns in etwa vorstellen, wie das dort abgelaufen ist, Herr Reichert.
Einige Kollegen von uns haben zur gleichen Zeit einheimische Polizisten
ausgebildet und lebten im gleichen Camp wie Sie. Halten Sie uns für so naiv?«,
fragte Winkler, nachdem er seinen Blick wieder auf Reichert gerichtet hatte.
»In
welcher Währung haben Sie im Camp bezahlt? Es gab doch Marketenderware. Oder
bekamen Sie alles gratis?«, schaltete sich de Boer ein.
»In
Deutscher Mark. Es gab noch keinen Euro.«
»Waren
auch Dollars im Umlauf?«, lenkte er das Gespräch in die Richtung, um zu
erfahren, woher die 10.000 Dollar stammen könnten, die Schuster verschickt
hatte.
»Ja,
die Amis verkehrten bei uns, sie durften in Dollar bezahlen. Und
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