Fahrt zur Hölle
kreisen, spitzte die Lippen, schluckte und sagte zum Kellner: »Der Wein hätte etwas kühler sein können. Ein bis zwei Grad.« Als der Kellner zögerte, schob er gönnerhaft hinterher: »Lassen Sie es gut sein.«
Spinner, dachte Lüder, nahm sein Glas auf, nachdem es gefüllt war, trank einen Schluck, hielt es kurz in Richtung Jessen und sagte, bevor er es abstellte: »Für mich ist das Wasser eine Spur zu kalt. So kann es nicht sein feines Bouquet entfalten. Es ist ein häufiger Irrtum in nördlichen Breitengraden, dass ein gutes Getränk zu kühl getrunken wird. Aber wie sollen Gelegenheitsweintrinker auch die Zunge üben.«
Der Stich saß. Iversen nahm einen großen Schluck von seinem mustergültig geschenkten Pils und leckte sich mit der Zunge den Schaum von den Lippen.
»Sie sind natürlich eingeladen«, sagte Jessen.
»Sicher«, erwiderte Lüder. »Vom Steuerzahler.«
»Nein. Von mir. Als Dank für Ihre Mühe.«
»In Nairobi hatten wir annähernd Kieler Temperaturen. Vielleicht ein wenig kühler«, sagte Lüder. »In Somalia war es heiß. Sehr heiß.« Er war sich nicht sicher, ob Jessen die Doppeldeutigkeit erfasste. »Es gibt aber noch einen anderen Unterschied zwischen Ostafrika und Deutschland: Hier gibt es kaum Korruption. Ich zahle mein Essen selbst.«
»Ich bitte Sie!«
Zwei Kellner servierten ihnen eine Steinpilzsuppe, die schon beim ersten Löffel hervorragend mundete.
»Wer ist für den Inhalt der Container verantwortlich, die in Indien geladen wurden und außerplanmäßig in Limassol gelöscht werden sollten?«, fragte Lüder unvermittelt.
Iversen hielt mitten in der Bewegung inne, während Jessen sich verschluckte. Dann tauschten die beiden einen Blick, als würde jeder vom anderen erwarten, dass der die Antwort übernähme.
»Gerd Wollenhaupt war der zuständige Linienagent. Er hat sich auch um die Ladung gekümmert«, erwiderte der Prokurist schließlich.
»Könnte er vom Inhalt der Container gewusst haben?«
»Natürlich. Er hatte doch Zugang zu den Ladepapieren.«
»Die meine ich nicht. In den Containern befand sich etwas anderes.«
Jessen sah angestrengt zum Fenster hinaus und wich Lüders Blick aus, während Iversen auf seinen Teller starrte.
»Interessiert es Sie nicht, was ich dort gefunden habe?«
Es dauerte eine Ewigkeit, bis der Reeder kaum hörbar antwortete: »Staatsminister Rukcza hat mich informiert.«
»Und Sie?« Lüder musterte Iversen. »Sie haben auch davon gehört?«
Der Prokurist nickte.
»Aber Sie wussten vorher von der brisanten Ladung?«
»Ich?« Iversen tat erstaunt. Er wirkte erschrocken. Dann schüttelte er heftig den Kopf. »Natürlich nicht. Woher sollte ich? Die Ladung, schon gar die Kontrolle, gehört nicht zu meinem Aufgabenbereich. Und auch Gerd Wollenhaupt konnte nur wissen, was in den Begleitdokumenten steht. Schließlich blickt keiner von uns in die Container.«
»Kann es sein, dass Wollenhaupt doch mehr wusste und deshalb sterben musste?«
Es herrschte betretenes Schweigen. Lüder erinnerte sich, dass Jens Iversen bei Lüders erstem Besuch in der Reederei Probleme hatte, das richtige Programm zu finden. Er schien wirklich nicht sehr bewandert zu sein.
»Das mit Wollenhaupt … Ich meine, sein Tod … Das ist uns allen sehr nahegegangen«, stammelte Nils Jessen.
»Irgendjemand muss den Deal mit den indischen Containern eingefädelt haben. Waren Sie das?« Lüder sah Jessen an.
Der schluckte heftig.
»Ich kümmere mich nicht um das operative Geschäft. Das ist Aufgabe der Mitarbeiter.«
»Also Sie.« Lüder zeigte auf Iversen. Kapitän Syrjanow hatte Lüder erzählt, dass es Iversens Anordnung war, Dschidda anzulaufen. Um das zu verhindern, war die »Holstenexpress« mit Hilfe der Puntländer angeblich entführt worden.
»Damit habe ich nichts zu tun.« Iversens Augen flackerten nervös.
»Sie haben aber dem Kapitän befohlen, Dschidda anzulaufen.«
»Ich habe nur weitergegeben, was mir der Reeder aufgetragen hat.«
»Ich?« Jessen war aufgebracht und sprach lauter, sodass andere Gäste auf sie aufmerksam wurden.
Die beiden Kellner traten an den Tisch und servierten pochiertes Zanderfilet mit gerösteten Tomatenscheiben, Chablisrahm, Fadennudeln und Brokkoliröschen. Fast angewidert schob Jessen den Teller ein Stück von sich, während Lüder das Essen demonstrativ probierte. Es war exzellent.
»Das hast du mir gesagt«, behauptete Iversen und zeigte auf Jessen.
»Das ist gelogen«, sagte der Reeder heftig. »Außerdem: Wie
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