Fahrt zur Hölle
Herren?«
»Gegangen.«
»Beide?«
»Der eine kam den Gang entlang vom Restaurant, und sein Bruder war gerade ins Haus gekommen. Sie haben sich hier vorn im Foyer getroffen. Ich habe nicht weiter darauf geachtet, als der eine plötzlich strauchelte und hinfiel, während der andere davonlief.«
»Wer ist geflüchtet? Nils Jessen?«
»Ich glaube – ja«, sagte sie zögerlich.
»Und der andere ist ihm gefolgt?«
»Ja, nachdem er sich wieder aufgerappelt hat.«
»Worüber haben die beiden gestritten?«
Sie sah Lüder ratlos an. »Ich habe nicht zugehört«, gestand sie.
Es war das professionelle Weghören des Hotelpersonals, dachte Lüder.
Lüder lief hinaus. Nichts war zu sehen. Er wandte sich nach links Richtung Parkplatz. Der Porsche Cayenne Nils Jessens war verschwunden. Lüder lief zu seinem BMW und rief unterwegs vom Handy die Leitstelle an.
»Lüders, LKA «, sagte er keuchend. »Ich bin in Glücksburg am Strandhotel und verfolge einen dunkelblauen Porsche Cayenne mit dem Kennzeichen FL - NJ .« Dann folgten die Ziffern. »Außerdem ist ein zweites Fahrzeug flüchtig.«
»Was für eines?«, fragte der Beamte.
»Das weiß ich nicht«, gestand Lüder.
»Das ist lustig«, mokierte sich der Beamte. »Da sind viele Autos unterwegs. Typisch LKA . Die sind nur für das übergeordnete Ganze zuständig. Um Details wie Kennzeichen oder Beschreibungen kümmern –«
»Sparen Sie sich Ihre Erklärungen«, fuhr Lüder dazwischen. »Das zweite Fahrzeug ist entweder auf den Reeder Ole Jessen oder die Reederei GAEL in Flensburg zugelassen. Sie sehen meine Nummer. Rufen Sie mich wieder auf dem Handy an, und halten Sie mich auf dem Laufenden. Kriminalrat Lüders, LKA .«
»Und ich bin der König von Harrislee«, murrte der Beamte.
Lüder setzte das mobile Blaulicht aufs Dach und fuhr los. Wohin?, überlegte er. Es rumpelte, als er über das Kleingranitpflaster fuhr und in die Hauptstraße abbog. Er durchquerte den Kurpark, der sich bis zum Strand hin ausdehnte, passierte das farbenfrohe Gebäude der Fördelandtherme und entschied sich am Ende der Straße, Richtung Flensburg abzubiegen. Er folgte dem durch einen dichten Wald führenden Asphaltband, das in sanften Bögen und über leichte Hügel eine hübsche Streckenführung hatte, wenn man nicht gerade jemanden verfolgte. Immer wieder musste Lüder trotz Blaulicht abbremsen, weil der Gegenverkehr und die unübersichtliche Straße ein Überholen nicht zuließen und gemächlich dahinrollende Autofahrer es nicht als notwendig erachteten, ihm Vorfahrt zu gewähren.
Lüder hatte keinen Blick für die anspruchsvollen Häuser in Meierwik oder für die rechts nah an die Straße heranreichende Förde. Seine ganze Konzentration galt dem Straßenverkehr, der zwar nicht dicht, aber lebhaft war. Er beschleunigte in einem weiteren Waldstück, schlängelte sich über die Abbiegespur an einer vor der roten Ampel wartenden Kolonne vorbei, musste scharf bremsen, weil ein querendes Auto seine Sonderrechte missachtete, und erreichte den Stadtteil Mürwik mit den typischen Rotklinkerhäusern. Ein Schild verwies auf die gleichnamige Marineschule.
Die Bebauung verdichtete sich, und mit ihr nahm der Verkehr zu. Ein Linienbus konnte erst an der nächsten Haltestelle in eine Bucht ausweichen, und der ihm folgende ältere Opel dachte nicht daran, Lüder passieren zu lassen. Mit bedächtigen dreißig bis vierzig Stundenkilometern schien der Fahrer seinen Wagen gen Flensburg tragen zu wollen. Das fremde Kennzeichen verriet Lüder, dass dem Opelfahrer nicht bewusst war, dass sie auf der linken Straßenseite das große schmucklose Gebäude des Kraftfahrtbundesamtes passierten, in dem genügend Platz für Millionen von »Punkten« war.
»Auch für dich«, knurrte Lüder, dem es ewig schien, bis der Vorausfahrende auf die Bremse trat und nach einer Haltemöglichkeit Ausschau hielt.
Lüders Handy meldete sich. Er nahm das Gespräch über die Freisprecheinrichtung an.
»Wir haben das zweite Fahrzeug identifiziert«, sagte der Beamte, dessen Stimme Lüder wiedererkannte. »Es ist ein silberfarbener Audi Q7 mit folgendem Kennzeichen …« Der Beamte gab die Kombination durch. »Die beiden Fahrzeuge bewegen sich über Kielseng und Ballastbrücke Richtung Innenstadt. Sie halten sich dabei nicht an die Straßenverkehrsordnung und gefährden andere Teilnehmer. An der Einmündung Osterallee ist es deshalb zu einem Unfall gekommen.«
Kurz darauf hatte Lüder die Stelle erreicht. Obwohl es nur ein
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