Fahrt zur Hölle
formulieren »Könnte es sein, dass es auch eine andere Lösung gibt?«
Lüder sah dem Anwalt an, dass er über diesen »Frontalangriff« ein wenig erzürnt war.
»Wir haben es hier nicht so gut wie Sie in Europa. Die gesamte Infrastruktur einer Kanzlei wie meiner verschlingt Unsummen an Kosten. Wir müssen für Technik viel mehr investieren.«
»Dr. Mbago. Ich möchte Ihre kostbare Zeit nicht über Gebühr in Anspruch nehmen.«
»Ich möchte nicht, dass Sie einen falschen Eindruck von mir oder meinen Kollegen gewinnen. Wenn Sie allerdings Ihr Gewissen beruhigen möchten … Ich mag es nicht annehmen. Aber wenn Sie es wirklich möchten, so werde ich es Ihnen nicht abschlagen können. Das gebietet die Höflichkeit und die Gastfreundschaft.« Der Anwalt griff einen Füllfederhalter. Mit Erstaunen sah Lüder, dass es sich um einen Montblanc aus der limitierten Edition »Johannes Gutenberg« handelte, der mit fast zwanzigtausend Euro gehandelt wurde. Dr. Mbago schrieb eine Zahl auf einen Zettel und schob ihn Lüder zu.
»Welche Währung?«, fragte Lüder.
»Ihre«, erwiderte der Anwalt kühn.
Lüder schluckte. Der Anwalt erwartete zweitausend Euro für die »kleine Hilfe«, den gleichen Betrag wollte er noch einmal für die Kollegen haben, die ihn angeblich unterstützt hatten.
»Mir würde sonst nie wieder jemand einen kleinen Dienst erweisen«, erklärte er.
»Ich bedaure, aber so viel Geld trage ich nicht mit mir herum.«
Jetzt zeigte sich ein Lächeln auf Dr. Mbagos Antlitz. »Sie haben eine Kreditkarte.«
Er betätigte einen Knopf auf seiner Telefonanlage, und als hätte sie hinter der Tür gelauert, erschien die attraktive dunkelhäutige Mitarbeiterin mit einem mobilen Kreditkartenterminal. Sie zog Lüders Karte durch das Gerät, tippte den Gesamtbetrag ein und reichte es ihm zur Bestätigung. Mit einem Lächeln – einem sehr teuren, fand Lüder – nickte sie dem Anwalt unmerklich zu und verließ den Raum.
Dr. Mbago lehnte sich zurück, legte die Spitzen seiner gepflegten Finger zu einem Dach aneinander und sagte: »Zum gescheiterten Prozess gegen die somalischen Piraten möchte ich mich nicht äußern. Das ist eine heikle Angelegenheit. Dazu kann nur das Justizministerium eine Stellungnahme abgeben.«
»Ist es nicht außergewöhnlich, dass ein Ministerium in ein laufendes Verfahren vor einem unabhängigen Gericht eingreift?«, fragte Lüder.
»Überall auf der Welt gibt es unterschiedliche Rechtssysteme. Nehmen Sie die Unterschiede zwischen der Art der Rechtsfindung in angelsächsischen Ländern und bei Ihnen in Deutschland. Auch wenn Sie kein Jurist sind, werden Sie wissen, dass über schuldig oder nicht schuldig in England eine Jury aus Bürgern entscheidet, während in Deutschland zwar Schöffen beteiligt sind, das Urteil aber durch Berufsrichter gesprochen wird. In unserem Land achtet das Ministerium auch auf die Darstellung Kenias in den Augen der Welt. Wir sprachen schon darüber, dass Sie überlegen müssten, weshalb man die Aburteilung der Piraten unbedingt Kenia überlassen wollte. Liegt darin nicht ein Rechtsverstoß der Europäer gegen deren eigenes Verständnis vor? Widersprechen Sie sich nicht selbst? Das sollten Sie einmal recherchieren und mit einem guten Juristen diskutieren. Ich maße mir nicht an, Mutmaßungen über die Gedanken unseres Justizministers anzustellen.«
Lüder war enttäuscht. Dr. Mbago gab Allgemeinplätze von sich, die die »Aufwandsgebühr« nicht rechtfertigten, auch wenn er den Ausführungen des Anwalts inhaltlich zustimmte.
»Mein Interesse gilt nicht nur diesem einen Prozess, sondern den Hintermännern der Piratenüberfälle allgemein.«
Der Anwalt lächelte. »Somalia«, sagte er versonnen. »Das Land ist keines mehr. Da ist es nicht verwunderlich, wenn Leute, die es sich leisten können, woandershin gehen und dort die Annehmlichkeiten suchen, die ihnen die Heimat nicht mehr bieten kann.«
»Die Drahtzieher haben sich in Kenia niedergelassen?«
»Sind es Drahtzieher, die die Schönheit Mombasas anzieht?«, antwortete Dr. Mbago mit einer Gegenfrage.
Lüder verstand den Anwalt. Natürlich konnte er nicht bestätigen, dass sich die Anführer der Piraterie – auch – in Kenia aufhielten. Konnte man Kenia einen Vorwurf machen? Schließlich zog die Schweiz auch Steuerflüchtlinge an, die nach deutschem Recht Straftäter waren. Und niemand würde den Eidgenossen pauschal vorwerfen, dass die Schweiz ein Unrechtsstaat sei.
»Sind es
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