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Fahrt zur Hölle

Fahrt zur Hölle

Titel: Fahrt zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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ein wenig weiter steht ein schwarz-weiß gestreifter Pfahl mit Richtungsschildern. Drehen Sie sich nicht um. Gehen Sie dorthin und warten Sie.«
    Die Hand hatte ihn kurz nach der ersten Berührung wieder losgelassen. Er widerstand der Versuchung, hinter sich zu blicken, folgte der Anweisung und fand die beschriebene Stelle. Dies schien ein beliebter Treffpunkt zu sein. Es warteten hier mehrere Leute, zum Teil auch kleine Gruppen. Wenn der Erwartete dazustieß, ertönte ein großes Hallo, es folgten Umarmungen, es wurde geherzt, und dann zog man laut schwatzend von dannen. Lüder wurde nur kurz die Aufmerksamkeit der anderen zuteil, obwohl er sich durch seine helle Hautfarbe deutlich von ihnen abhob. So musste es dunkelhäutigen Menschen in Europa ergehen, überlegte er.
    »Folgen Sie mir unauffällig«, wisperte ihm die Stimme zu, die ihn an diesen Ort gebeten hatte.
    Lüder wartete noch ein paar Sekunden und schlenderte dann scheinbar ziellos am Citycenter und am Hilton entlang. Jetzt sah er den Mann zum ersten Mal. Er schätzte ihn auf Anfang bis Mitte dreißig. Die Füße steckten in abgelaufenen Turnschuhen, die Jeans war ramponiert, und das Hemd sowie der leichte Pullover wiesen auch deutliche Gebrauchsspuren auf. Der Mann mit den kurzen krausen Haaren hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben und wich mit seinem leichtfüßigen Gang fast tänzelnd anderen Passanten aus. Geschickt schlängelte er sich durch die schier unendliche Autobusschlange auf der Moi Avenue, ließ die Tom-Mboya-Statue seitlich liegen und wechselte in eine Nebenstraße.
    Es war, als würden sie in eine andere Welt eintauchen. Abrupt endeten die nur aus Glas und Chrom bestehenden modernen Häuser. Hier wirkte alles ursprünglicher, so, wie sich der Tourist eine afrikanische Metropole vorstellt.
    Der Mann hatte sich nicht ein einziges Mal umgedreht.
    Die Keekorok Road wirkte ziemlich heruntergekommen. Lüder fühlte sich eine Spur unbehaglich. Hier schienen nur Einheimische zu verkehren. Und unter denen fand sich kein »Dr.   Mbago«.
    Vor einem Haus mit abbröckelnder Fassade stoppte der Mann und verschwand durch eine offene Tür. An der Hauswand prangte in verwitterten, kaum noch erkennbaren Buchstaben ein Schriftzug, aus dem Lüder mit viel Phantasie die Bezeichnung »Bar« entziffern konnte. Der Eingang wurde durch einen spanischen Vorhang verdeckt.
    Als Lüder die Streifen teilte, fand er sich in einem finsteren Loch wieder, in dem Männer an einem Tresen herumlungerten oder an Tischen saßen und versuchten, gegen den Lärm der Musikbox anzuschwatzen. Ihm schien, als würden alle Gespräche augenblicklich verstummen, als er eintrat. Seine Augen mussten sich einen kurzen Moment an die Dunkelheit gewöhnen, bis er seinen Führer entdeckte, der am Ende des schäbigen Tresens stand. Lüder stellte sich dazu. Jetzt konnte er den Mann das erste Mal genauer betrachten. Er hatte ein rundes Gesicht, das von Pockennarben überzogen war. Vom rechten Haaransatz zog sich zudem eine lange Narbe über die Wange fast bis zum Unterkiefer. Die Zahnreihen wiesen eine deutliche Lücke auf. Dennoch strahlten Lüder zwei weiße Augen an.
    »Danke«, sagte der Mann in einem hart klingenden Englisch, »dass Sie mir vertraut haben. Wenn nicht, hätte ich es verstanden.« Er sagte etwas zum Barkeeper auf Swahili und erklärte Lüder: »Hier trinkt man Bier. Am besten aus Flaschen«, fügte er an, als er Lüders kritischen Blick gewahrte. Der Barmann schob zwei Flaschen Budweiser über den Tresen, die er zu Lüders Zufriedenheit vor dessen Augen öffnete. Das amerikanische Bier war für Lüder keine kulinarische Offenbarung, aber es war gut gekühlt.
    »Sie sind Mr.   Wolfram«, sagte Lüders Begleiter. »Journalist aus Deutschland.« Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Anstelle einer Antwort schenkte Lüder dem Mann nur einen langen Blick. Dann tranken sie.
    »Wir sind Kollegen«, überraschte der Mann Lüder. »Mein Name ist John Kiambi. Ich arbeite für den ›Kenia Mirror‹, eine Zeitung, die nicht bei allen die ungeteilte Zustimmung findet. Nicht jeder mag unsere Art der Berichterstattung, manche Kreise können keine Kritik vertragen. Deshalb war mir daran gelegen, nicht zu viel Aufmerksamkeit für unser Gespräch zu wecken.«
    »Sie meinen, wir werden beobachtet?«
    Kiambi nickte ernst. »Sie. Ich.«
    Lüder ärgerte sich über sich selbst. Er war Profi. Warum hatte er nicht daran gedacht? Offensichtlich hatte sein Erscheinen in Kenia

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