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Fahrt zur Hölle

Fahrt zur Hölle

Titel: Fahrt zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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Familienvater totfahren? Die Frage entscheiden Juristen.« Es klang abfällig. »Und die kommen manchmal zu dem Schluss, dass ein Deckhengst aus der Vollblutzucht wertvoller ist als ein Mensch. Wollen Sie, der aus einer Gegend der Welt stammt, wo eine solche Moral herrscht, sich erdreisten und mahnend den Zeigefinger erheben und über die Somalier urteilen?«
    »Ich bin Journalist. Das ist die vierte Gewalt im Staat. Als solcher versuche ich, mich neutral zu verhalten und mir keine Urteile anzumaßen.«
    »Haben Sie keine persönliche Meinung?«, fragte Hürlimann lauernd.
    »Mich interessieren Fakten. Wissen Sie etwas über die ›Holstenexpress‹?«
    »Hier gibt es keine Tagesschau.«
    »Sie haben von sich selbst behauptet, der Mensch mit den besten Kontakten in Somalia zu sein.«
    Hürlimann spitzte die Lippen. Dann fuhr er sich mit der Zunge darüber. »Niemand weiß, wie es weitergeht in diesem Land. Ich muss Ihnen nicht erzählen, dass es die unterschiedlichsten Interessengruppen gibt.«
    »Die Clans«, unterbrach ihn Lüder.
    »Richtig. Die haben Somalia unter sich aufgeteilt. Auch wenn das Land zerstört ist, die Bevölkerung unermessliche Not leidet, gibt es wie überall auf der Welt Leute, die daraus Profit schlagen.«
    »Sie machen das hier doch nicht als Menschenfreund«, wandte Lüder ein.
    »Ich werde für meine mitunter gefährliche Arbeit entlohnt«, gestand Hürlimann. »Möchten Sie mit mir tauschen?« Er räusperte sich. »Die Chefs der Clans sind in ihrem Einzugsbereich Herr über Leben und Tod. Sie selbst leben aber auch nicht ungefährlich, da sich die Clans untereinander bekriegen. So schaffen sich die Kriegsfürsten eine finanzielle Absicherung, ein Polster, auf dem sie im Notfall weich landen. Doch sie brauchen nicht nur Geld, sondern auch Know-how und Kontakte, um im Ausland Unterschlupf zu finden.«
    »Und die vermitteln Sie?«
    »Das ist mein Teil der Leistung«, gab Hürlimann zu.
    »Ich verstehe«, setzte Lüder den Gedanken fort. »Man duldet Sie, weil keiner weiß, ob er nicht irgendwann der Verlierer ist und Ihre Hilfe benötigt.«
    Der Schweizer vermied es zu antworten. Das war nicht erforderlich. Lüder hatte das System durchschaut. Man ließ Hürlimann gewähren, auch wenn er mit verschiedenen Kriegsparteien kooperierte.
    Hürlimann sah auf die Uhr. »Haben Sie schon ein Hotel in Mogadischu?«
    Daran hatte Lüder noch nicht gedacht. War er zu naiv an diese Mission herangegangen?
    »Mein Fahrer wird Sie hinbringen.«
    »Ich komme allein zurecht«, erklärte Lüder.
    Der Schweizer lachte zynisch auf. »Wie weit würden Sie kommen? Bis zur nächsten Straßenecke? Ein Europäer? Alles, was Sie mit sich führen, ist hoch begehrt. Geld. Telefon, Kamera. Computer. Uhr. Schuhe. Einfach alles wird verwertet. Das ist ganz triviale Alltagskriminalität. Und wenn man Ihnen alles genommen hat, haben Sie als Entführungsopfer auch noch einen Marktpreis. Dann hätten Sie Glück. Es könnte auch sein, dass man einen gezielten Mordanschlag auf Sie verübt. Ausländer sind hier Freiwild, je nachdem, wem Sie zuerst begegnen.«
    »Ich verstehe, mich zu wehren.«
    »Blödsinn. Ich kann Ihnen Unterkunft in meinem Haus gewähren einschließlich Verpflegung.«
    »Zu welchen Konditionen?«
    Hürlimann lachte. »Hier muss alles aufwendig herbeigeschafft werden. Das werden Sie sicher verstehen.« Er nannte einen Preis in US- Dollar. Für diesen Betrag würde Lüder auch eine komfortable Suite auf der 5th Avenue bekommen. Aber eine Alternative bot sich ihm nicht. Deshalb willigte er ein.
    »Ich bin nicht hier, um einen besonderen Kick zu erleben. Meine Redaktion möchte Ergebnisse sehen.«
    »Wir werden sehen, was sich machen lässt«, sagte Hürlimann. Er sah auf seine Armbanduhr. »Wenn Sie sich beeilen, können Sie sich frisch machen. Noch haben wir warmes Wasser.« Dann klatschte er in die Hände wie ein orientalischer Großwesir. Im Nu erschien ein Junge. Das Alter war schwer zu schätzen. Vielleicht mochte er dreizehn Jahre alt sein. Der Junge baute sich vor Hürlimann auf.
    »Das ist Dieter«, erklärte der Schweizer.
    »Dieter?«
    Hürlimann nickte. »Den Namen habe ich ihm gegeben. Er stammt irgendwo aus den Slums der Stadt. Dort habe ich ihn aufgegabelt. Wie einen streunenden Hund von der Straße.«
    Lüder wollte protestieren, dass man einen Menschen mit einem Straßenköter verglich. Doch der Schweizer fuhr fort mit seiner Erklärung. »Dadurch, dass ich ihn Dieter nannte, ein europäischer Name,

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