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Fahrt zur Hölle

Fahrt zur Hölle

Titel: Fahrt zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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der Leute prägen.«
    Hürlimann war ein amüsanter Plauderer, und so verging die Zeit, bis er zu Tisch bat, wie im Flug. Nur als Lüder die Kamera hervorholte und Bilder vom Hausherrn und von der Villa machen wollte, sperrte sich der Schweizer.
    »Ich weiß, die Leser in Deutschland mögen keine Berichte, die nur aus Text bestehen. Wenig Text und viele bunte Bilder … Das ist das Erfolgsrezept. Ich bitte Sie, hier nicht zu fotografieren. Wer weiß, ob nicht irgendjemand in Deutschland die Bilder sieht und sie auf verschlungenen Pfaden wieder nach Somalia zurückkehren. My home is my castle . Hier bin ich privat. Deshalb keine Bilder.«
    »Damit gestehen Sie ein, dass die Schalthebel vieler Dinge, die hier geschehen, von auswärts bedient werden.«
    Hürlimann lachte. »Sicher. Sie finden nur wenig Doofe wie mich, die es hier aushalten.«
    »Können Sie das geografisch eingrenzen? Wo sitzen die Verantwortlichen, die an den Fäden ziehen, nach denen die Marionetten an Somalias Küste tanzen?«
    Hürlimann breitete die Arme aus. »Wenn Sie die Unendlichkeit des Weltalls nehmen, ist unsere Erde ein Nichts.«
    »Und wenn Sie in einem Heuhaufen eine Stecknadel suchen, kann das eine Lebensaufgabe sein.«
    »Der Sie sich verschrieben haben?«, fragte Hürlimann mit lauerndem Unterton.
    »Ich habe einen Beruf. Genauso wie Sie.«
    »Bundesnachrichtendienst oder Bundeskriminalamt?«, fragte der Schweizer eher beiläufig und fixierte dabei Lüders Augen. Lüder war froh, nicht lügen zu müssen.
    »Weder noch«, erwiderte er.
    »Und Sie schreiben wirklich für die Lübecker Nachrichten?«
    Lüder lächelte Hürlimann über den Rand seines Glases an. »Lübeck ist eine wunderbare Stadt und zu Recht Weltkulturerbe. Ich sagte, dass ich für die Kieler Nachrichten tätig bin.«
    Der Mann fasste sich an die Stirn. »Ja – richtig. Da habe ich etwas verwechselt.«
    Sie wurden durch einen Einheimischen unterbrochen, der dem Hausherrn etwas zuraunte.
    »Kommen Sie«, forderte Hürlimann daraufhin Lüder auf. »Das Essen ist fertig. Sie haben Verständnis dafür, dass man sich hier in Mogadischu bei der Menügestaltung ein wenig bescheiden muss.«
    Lüder war erstaunt, dass es Zürcher Geschnetzeltes mit Röstis und Gurkensalat gab.
    »Eine Reminiszenz an meine Heimat«, sagte Hürlimann strahlend und senkte die Stimme. »Ich muss alles importieren. Dabei erzähle ich, dass alles Fleisch vom Schwein stammt. Damit reduziere ich den Diebstahl in der Küche.«
    »Und Ihre Somalier bereiten Schweizer Gerichte zu?«
    »Um ehrlich zu sein … Das Kochen ist mein Hobby.«
    Versonnen strich er sich über die Wölbung seines Bauchs. Zum Essen gab es einen soliden Trollinger.
    »Auf der ›Holstenexpress‹ gab es andere Gerichte«, vermutete Hürlimann plötzlich und sah Lüder an.
    »Das ist eine bunt zusammengewürfelte Mannschaft.«
    »Sicher mit Osteuropäern in der Schiffsführung und Asiaten als Deckspersonal.«
    Lüder unterbrach das Essen. »Sie verfügen über Einzelheiten?«
    »Allgemeinplätze«, wiegelte Hürlimann ab. »Eine solche Konstellation ist doch Standard auf den Schiffen.«
    Sie schlichen umeinander herum. Keiner wollte sich in die Karten sehen lassen. Und Lüder wusste nicht, ob Hürlimann über seine wahre Identität informiert war. Oder zielten die Fragen des Schweizers darauf ab, sie zu erkunden? Erfahren würde Lüder es nicht.
    Hürlimanns Verhalten war schwer einzuschätzen. Auf welcher Seite stand er? Schließlich war nicht auszuschließen, dass er Verbindungen zu den Entführern unterhielt. Würde das zutreffen und Lüder die falschen Fragen stellen, die ein Journalist so gewöhnlich nicht vortrug, könnte das tödlich sein. Wer in Somalia verschwand, tauchte nie wieder auf. Das waren keine verlockenden Aussichten. Erschwerend kam hinzu, dass Hürlimann früher selbst Journalist war und einschätzen konnte, ob sein Gegenüber auch diesem Berufsstand angehörte. Es war keine erfreuliche Situation, in der Lüder sich befand. Und er hatte nicht die Möglichkeit, aufzustehen und zu gehen.
    »In Somalia gibt es keine konsularische Mission der Europäer«, erklärte Lüder. »Gleichwohl gibt es ein Interesse der Bundesregierung am positiven Ausgang der Schiffsentführung. Das ist Deutschlands Reputation als Handelsweltmacht geschuldet.«
    Hürlimann nickte zustimmend.
    »Eine Kaperung durch Piraten ist ein krimineller Akt«, fuhr Lüder fort. »Da sind den offiziellen Stellen die Hände gebunden. Als Schweizer stammen

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