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Fahrt zur Hölle

Fahrt zur Hölle

Titel: Fahrt zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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einheimischer Hand«, sagte Lüder.
    »Davon können Sie in den meisten Fällen ausgehen.«
    »Mich interessieren die Beweggründe, die Hintermänner.«
    Hürlimann lachte auf. »Wenn Sie in Frankfurt oder Hamburg herumlaufen und auf dem Kiez verlauten lassen, Sie möchten die Chefs des organisierten Verbrechens nach ihrem Motiv befragen, ist das einfach lächerlich. Hier soll das anders sein?«
    »Wir kennen die Fälle, dass die Drahtzieher – übrigens reiche Somalier – in London sitzen und die Entführungen von dort aus organisieren.«
    »Und warum sind Sie nicht am Piccadilly Circus, sondern in Mogadischu?«
    »Weil die Täter, die die Kaperungen ausführen, hier leben. In Somalia.«
    »Sehen Sie sich um in Mogadischu. Wie wollen Sie in einer Stadt ohne Telefon, Elektrizität oder Schulen überleben? Es gibt keine Polizei, keine Justiz. Hier regiert die Hoffnungslosigkeit. Neulich sah ich einen Mann mit einem zerbeulten Eimer voll Sand, der versuchte, Schlaglöcher zu reparieren. Es gibt Menschen, die ihre Heimat wieder aufbauen möchten. Aber der Einzelne ist machtlos. Wundert es Sie, dass Menschen dieser Hoffnungslosigkeit entfliehen und an den lukrativen Schiffsentführungen partizipieren wollen?«
    »Sie weichen also nach Nordosten aus und schließen sich dortigen Banden an?«, fragte Lüder.
    »Selten. Es kommt oft vor, dass die Banden sich gegenseitig in die Quere kommen und blutige Gefechte untereinander austragen. Ursprünglich ging die Piraterie von Fischern an der Küste aus, denen die Lebensgrundlage entzogen wurde, weil ausländische Fangflotten die ertragreichen Gewässer erbarmungslos leer gefischt haben.«
    »Und was ist das Besondere an der Entführung der ›Holstenexpress‹?«
    Hürlimann wich Lüders Blick aus. Er sah ihn nicht an, als er nach einer längeren Pause sagte: »Manches. Haben sich die Piraten schon mit einer Lösegeldforderung gemeldet?«
    »Wie erfolgt so eine Wortmeldung?«, fragte Lüder im Gegenzug.
    »Weichen Sie mir nicht aus«, beharrte der Schweizer auf einer Antwort auf seine Frage.
    »Ich bin nicht aktuell informiert.«
    Hürlimann schüttelte den Kopf. »Natürlich sind Sie das. Sie haben ein Satellitentelefon. Darüber erhalten Sie alle Informationen aus erster Hand. Sie sind kein Journalist«, sagte der Schweizer. »Heraus mit der Sprache. Wer sind Sie wirklich?«
    »Ich bin mit der systematischen Ausführung strafbarer Handlungen, Raubüberfällen auf Bestellung, Diebstählen zu kulanten Preisen beschäftigt. Bei größeren Aufträgen räume ich einen Rabatt ein.«
    »Häh?«
    Lüder zuckte mit den Schultern. »Ist leider nicht von mir, sondern von Agatha Christie. John Kiambi, einer Ihrer Kontaktleute in Nairobi, hat Ihnen doch gesagt, wer ich bin.«
    Bei der Nennung des Namens des kenianischen Journalisten zuckte Hürlimanns Augenlid. Vielen anderen wäre das möglicherweise entgangen. Lüder fand darin die Bestätigung, dass Kiambi ihm den Kontakt zu Hürlimann vermittelt hatte. Die Aussage, die Verbindung über eine angebliche Anzeige im »Kenia Mirror« herzustellen, war eine ziemlich plumpe Ausrede.
    »Ich habe von Kiambi gehört«, bestätigte Hürlimann. »Aber in welcher Beziehung soll er zu mir stehen?«
    Lüder winkte ab. Das harmlose Erscheinungsbild des Schweizers vermochte ihn nicht zu täuschen. Der Mann war nicht dumm und ließ sich nicht so leicht aufs Glatteis führen. Außerdem war er misstrauisch. Vermutlich konnte man nur so in dieser lebensfeindlichen Umgebung überleben.
    »Wer steckt hinter der Entführung der ›Holstenexpress‹? Wissen Sie das, oder vergeude ich meine Zeit?«
    »Sie kennen Afrika nicht. Auf dem direkten Weg erreichen Sie hier nichts. Spielen Sie Billard? Versuchen Sie, über Bande zu spielen.«
    »Schön. Meine weiße Kugel liegt parat. Was ist der Einsatz?«
    »Es ist ein hoher Einsatz.«
    »Ein Schiff, eine Ladung und die Besatzung. Menschen! «, sagte Lüder überbetont.
    »Die zählen nicht. Manchmal geht es um mehr. Wie viel ist ein Mensch wert?« Hürlimann sprach zu sich selbst. »Diese Frage haben viele Philosophen zu beantworten versucht. Der reine Materialwert beträgt etwa fünf bis sechs US- Dollar. Ein gesunder Mensch kann sehr viel wert sein, wenn Sie ihn ausschlachten und seine Organe an Leute verkaufen, für die sie das Überleben bedeuten. Klingt pervers, oder?«
    Der Schweizer legte eine Pause ein und musterte Lüder. »In Europa gelten andere Maßstäbe. Was kostet es, wenn Sie betrunken einen

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