Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fahrt zur Hölle

Fahrt zur Hölle

Titel: Fahrt zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
Vom Netzwerk:
Offizier.
    Lüder war froh, dass sich der Ukrainer ungefragt in das Gespräch eingemischt hatte. Dabei hatte Kalynytschenko jede aggressive Regung missen lassen. Eine Deeskalation konnte ihrer Lage nur dienlich sein. Lüder erinnerte sich an eine bestimmte Vokabel, die er aus der Unterhaltung der Somalier herausgehört zu haben glaubte.
    »Hat jemand von Ihnen den Begriff ›Abu Talha‹ gehört? Für mich klingt es nach einem Namen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich es richtig ausspreche.«
    »Das klang so ähnlich«, bestätigte Piepstengel, und auch Wang Li stimmte zu.
    »Möglich«, knurrte sogar Kalynytschenko.
    »Und Sie, Herr Schöster?«, fragte Lüder auf Deutsch. Doch aus der Ecke des dritten Deutschen drang kein Laut herüber.
    »Das ist ein komischer Piefke«, wisperte Piepstengel, der sich neben Lüder niedergelassen hatte. »Den wünsch ich mir als Frau.«
    »Bitte?«
    »Weil der so schweigsam ist«, raunte der Maschinist und grinste.
    Sie wurden durch einen Ausruf des Matrosen, der am Fensterloch hockte, abgelenkt.
    »Sie kommen zurück.«
    Sofort sprangen alle Männer auf und bildeten einen Halbkreis. Das altersschwache Schloss schnarrte, der Sperrriegel wurde zurückgeschoben, und dann öffnete sich die Tür. Mit dem gleißenden Sonnenlicht kam auch ein Schwall heißer Luft herein.
    Im Gegenlicht erschien zunächst Kapitän Syrjanow und betrat schweigend das Verlies. Ihm folgte Datu, der für den verängstigten Bayani von den Piraten herausgeholt worden war. Der Philippiner hüpfte vergnügt von einem Bein aufs andere.
    »Sie haben uns Wasser hingestellt. Wir konnten uns waschen und erfrischen«, sagte er.
    Seine Landsleute fielen verbal über ihn her und wollten Einzelheiten wissen.
    »Wir durften auch ein wenig über den Hof spazieren gehen«, berichtete Datu.
    Lüder atmete auf. Sein Appell an Galaydh schien gefruchtet zu haben. Die zurückgebliebenen Männer drängten zur Tür. Jeder wollte bei der nächsten Gruppe dabei sein, und erst als einer der Bewacher in die Luft schoss, kehrte wieder Ruhe ein. Es war unglaublich, was eine kleine Erleichterung wie ein Eimer Wasser nach der langen Zeit der Qual für Euphorie auslösen konnte. Die Stimmung war für einen Moment fast heiter. Das hielt eine Weile vor, bis auch die letzte Gruppe wieder eingesperrt worden war.
    »Haben wir das dir zu verdanken?«, fragte Piepstengel. »Hast du den Oberpiraten bekehrt, als du vorher mit ihm gesprochen hast?«
    »Nicht der Rede wert«, winkte Lüder ab. Warum sollte er es leugnen? Der Funken Dankbarkeit, den die Geiseln für diese kleine Geste zeigten, könnte eventuell nützlich sein, falls später einmal sein Wort gefragt war.
    Schon bald brütete jeder wieder im Stumpfsinn allein vor sich hin. Bald würde es Abend werden. Lüders Gedanken schweiften zu seiner Familie ab. Was würden Margit und die Kinder jetzt denken? Er war überzeugt davon, dass Große Jäger nicht untätig geblieben war. Gemeinsam mit Kriminaldirektor Nathusius würde er die richtigen Worte gefunden haben. Es war nicht auszuschließen, dass sich der Husumer auf den Weg nach Kiel gemacht hatte, um vor Ort Zuspruch zu geben. Aber was sollte er sagen? Wusste jemand, wo Lüder geblieben war?
    Er selbst hatte keine Information über seine Geiselnahme mehr absetzen können. Staatsminister Rukcza hatte ihn förmlich erpresst, seine Mission abzubrechen. Dem Berliner konnte nicht verborgen geblieben sein, dass Lüder davon nicht begeistert war. Ob man beim Berliner Krisenstab glaubte, er hätte sich über Rukczas Anweisungen hinweggesetzt und würde auf eigene Faust weiterermitteln?
    Möglicherweise schätzte man seine Situation falsch ein und ahnte nicht einmal, dass er sich in einer Notlage befand. Die Piraten würden mit Sicherheit keine Informationen weitergeben. Dafür sprach auch, dass sie so lange gezögert hatten, mit einer Lösegeldforderung an die Reederei heranzutreten. Und die Behörden in Garoowe würde sein Schicksal auch nicht interessieren. Zumal dann nicht, wenn sie in irgendeiner Weise an Lüders Entführung beteiligt waren.
    Wie passten die Zahnräder zusammen, die offensichtlich ineinandergriffen? Wenn er darüber nachdachte, schien es fast wie ein Staffellauf zu sein. Und Lüder war der Stab, der auf wundersame Weise weitergereicht wurde. Man hatte ihn jedenfalls zielgerichtet hierher verschleppt. Was hatte Youssef Galaydh bei ihrer ersten Begegnung in Hordio zynisch gesagt? »Sie wollten hierher. Nun beklagen Sie sich nicht, dass

Weitere Kostenlose Bücher