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Fahrt zur Hölle

Fahrt zur Hölle

Titel: Fahrt zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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Sie hier sind.«
    Wer gehörte zu dieser unheilvollen Staffel? War Dr.   Mbago in Nairobi der Startläufer gewesen? Oder der undurchsichtige Journalist John Kiambi? Gehörte Urs Hürlimann zum Team? Waren Kasayah Peltini, der für die Sicherheit in Puntland Verantwortliche, oder sein Innenminister Shiikh beteiligt? Als Einziger hatte sich Youssef Galaydh geoutet. Von ihm sprachen sie als »dem Boss«. Aber wer war der Mannschaftskapitän? Und gab es, um im sportlichen Umfeld zu bleiben, einen Trainer und einen Manager im Hintergrund? Es gab noch viele offene Fragen. Zu viele, fand Lüder.
    »Störtebeker kommt«, rief Piepstengel, der die Position am Fenster übernommen hatte. Niemand außer Lüder verstand ihn.
    »Galaydh«, übersetzte Lüder. »Der Boss.«
    Dann stutzte er. Merkwürdig. Schöster hatte sich auch nicht gerührt bei Piepstengels Ankündigung. Jeder Deutsche wusste, wer Störtebeker war, der Anführer der »Likedeele«. Dieser soziale Bund war von gegenseitiger Loyalität und Unterstützung bestimmt. Das hielt die Vitalienbrüder zusammen. Dafür sprach die selbst gewählte Losung »Gottes Freunde und aller Welt Feinde«. Davon waren die somalischen Piraten weit entfernt.
    Nachdem die Tür geöffnet war, erschien Galaydh und fragte, wer ein Kauholz wünsche.
    »Ein – was?«, fragte Wang Li.
    »Zur Zahnpflege«, erklärte der Somalier. »Das hat schon Mohammed als Zahnbürste benutzt.«
    Nur wenige Männer hoben müde den Arm. Lüder war unter ihnen. Selbst wenn die Handhabung mühselig war, wollte er sich in den Gepflogenheiten fremder Kulturen üben.
    Danach kehrte wieder Ruhe ein. Auch Piepstengel hatte sich von seinem Ausguck zurückgezogen. Das helle Rechteck verlor an Strahlkraft. Der Abend nahte. Lüder war jetzt schon einen ganzen Tag in diesem Verlies. Ein Tag voller Qualen.
    Plötzlich schreckte Lüder hoch.
    »Was war das?«, rief einer der Matrosen überrascht.
    »Da wird geschossen«, sagte Kalynytschenko.
    »Die haben Langeweile. Dann ballern die in die Luft. Einfach nur so.« Piepstengel ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
    »Die singen ein Duett«, erwiderte Lüder, als ein anderes Gewehr antwortete. Dann ergänzte er: »Jetzt ist es ein ganzer Chor.« Es klang wie ein Feuergefecht.
    Angespannt lauschten sie dem wütenden Bellen der Waffen. Es waren keine einzelnen Schüsse, sondern Feuerstöße. Wer versorgte die Piraten mit den modernsten Waffen? Rund um den Globus schien es kein Problem zu sein, mit den neuesten Errungenschaften der Waffentechnologie blutiges Unheil anzurichten.
    Für einen Augenblick schwiegen die Gewehre. Dann waren in kurzen Abständen zwei Explosionen zu hören. Lüder wurde es mulmig. Das klang wie Handgranaten. Mit Sicherheit war es kein Salut aus Langeweile, sondern ein handfester Schusswechsel.
    Auf dem Hof hörten sie Schreie. Die Somalier waren aus der Hütte der Bewacher herausgestürmt und liefen wie ein aufgeschreckter Hühnerhaufen durcheinander. Lüder hatte die Position am Ausguck eingenommen.
    Galaydh versuchte, durch lautes Rufen Ordnung in seine Truppe zu bringen. Aber niemand hörte auf ihn. Die Leute schwenkten ihre Schnellfeuerwaffen und visierten imaginäre Ziele an, als würden sie einen Überfall von allen Seiten erwarten. Besonders der Junge mit der Maschinenpistole tat sich dabei hervor. Er hielt die für seine Körpergröße viel zu gewaltige Waffe mit ausgestreckten Armen von sich. Niemand der Leute hatte je eine Ausbildung im Schießen erfahren.
    Eine Ewigkeit schien zu vergehen, bis Galaydh ein wenig Kontrolle über den wilden Haufen gewann. Der »Boss« ruderte mit beiden Armen in der Luft herum, während seine Männer mit ihm über die Anweisungen zu diskutieren schienen. Würde von der Wirkung der Gewehre nicht eine tödliche Gefahr ausgehen, hätte die Szene fast Anreiz zum Lachen geboten. Lüder konnte sich kaum vorstellen, dass diese Leute fähig waren, ein Schiff zu kapern. Sie waren aber gefährlich. Und diese Kraft zogen sie einzig aus dem Besitz der Gewehre in ihren Händen.
    Immer wieder fiel Lüders Blick auf den Jungen. Der schien sich mit seiner MP i in der Hand wie Siegfried für unverwundbar zu halten.
    Noch zweimal flammten Schusswechsel auf. Lüder schien es, als würde sich der Schauplatz der Auseinandersetzung nähern. Wie bei einem Gewitter wartete man darauf, dass das Unwetter über einen hereinbrach und die Blitze über dem eigenen Kopf zuckten. Und im Stillen hoffte man, dass es vorbeizog.
    Dann war es

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