Fahrt zur Hölle
Männer?«
»So können nur Kuffer sprechen«, sagte Galaydh geringschätzig.
»Was sind Kuffer?«
»Ungläubige.«
Lüder schüttelte den Kopf und verzögerte dabei etwas den Schritt. Sofort hob der Junge seine MP i, als Lüder nicht mehr direkt neben Galaydh marschierte. »Sie haben in Deutschland studiert. Hat Sie die Toleranz nicht beeindruckt, die man anderen Menschen gleich welcher Rasse und welchen Geschlechts entgegenbringt?«
»Die richtige Antwort kennt nur der Islam. Mich hat stets die fehlende Moral der Kuffer gestört.« Er zeigte über die Schulter auf die beiden bewaffneten Begleiter. »Man muss den Menschen etwas Angst einjagen. Es gibt Glaubensbrüder, die die Meinung vertreten, einige Kuffer sollten zur Abschreckung abgeschlachtet oder gehängt werden, weil sie einen Shirk verrichten. Das ist ein Götzendienst derer, die nicht an Allah glauben.«
»Gehören Sie auch zu denen, die Andersgläubige töten wollen?«
»Ich möchte allen Menschen die Möglichkeit geben, sich zu bekehren oder zumindest den Islam zu achten.«
»Und wenn nicht?«
»Gegen die Kuffer führen die Gotteskrieger einen weltweiten Krieg, den Dschihad. Wir verkaufen unsere Seele an Allah, und Allah wird es uns im Paradies belohnen.«
»Ist die Entführung der ›Holstenexpress‹ religiös motiviert?«, fragte Lüder.
»Sie stellen zu viele Fragen«, erklärte Galaydh und zeigte auf eine kleine Gruppe von Männern, die eine fast drohende Haltung bei ihrem Erscheinen einnahm. »Meine beiden Männer dienen auch Ihrem Schutz.«
»Weshalb?«
»Die Menschen weiter südlich haben sehr erfolgreiche Kaperungen vorgenommen. Das hat sich auch bis Hafun und Hordio herumgesprochen. Nachdem meine Leute die ›Holstenexpress‹ gekapert haben, sind gestern Abend ein paar Männer mit ihren Booten hinausgefahren und wollten ebenfalls ein Schiff übernehmen.«
»Das klingt, als wäre der Versuch erfolglos geblieben.«
»Es war ein chinesisches Schiff. Als die Fischer sich dem Frachter näherten, tauchten Sicherheitskräfte an der Reling auf und schossen ohne Vorwarnung auf sie.«
»Fischer ist gut«, warf Lüder ein. »Für mich sind das Piraten und damit ganz gewöhnliche Kriminelle. Wundert es Sie, dass die Chinesen sich wehren und ihre Schiffe schützen?«
»Die Chinesen – ja. Und einige andere Nationen. Schuld sind die westlichen Staaten, die ihre Schiffe ohne Begleitschutz fahren lassen.«
»Es gibt die Mission Atalanta«, gab Lüder zu bedenken.
»Ich spreche von Einzelfahrern. Man hat den Menschen hier an der Küste suggeriert, dass sich die Schiffe ohne Gegenwehr beschlagnahmen lassen. Plötzlich wird auf meine Landsleute geschossen, ohne dass sie angegriffen haben. Dabei gab es zwei Tote. Jetzt wollen die Fischer Rache.«
»Das ist eine merkwürdige Logik. Sie machen mich indirekt dafür verantwortlich, dass ein Entführungsversuch gescheitert ist, weil die Piraten so dumm waren und keinen wehrlosen Europäer angegriffen haben? Lächerlich.«
»Lächerlich findet es hier niemand. Es sind einfache Menschen, die Rache wollen.«
Das hat wirklich nichts mit Logik zu tun, dachte Lüder. Dafür war es gefährlich. Es bedeutete gleichzeitig, dass seine Pläne zu fliehen nicht durchführbar waren. Die Flucht über Land war ihnen verwehrt. Lüder zog lediglich in Erwägung, eines der Fischerboote zu entwenden, die im Wasser vor dem Strand dümpelten, den sie jetzt erreicht hatten. Schließlich waren die Geiseln Seeleute, und eine Flucht über See wäre kein so gefährliches Abenteuer.
»Was haben Sie studiert?«, fragte Lüder, als er übers Wasser blickte und vergeblich Ausschau nach der ›Holstenexpress‹ hielt.
»Suchen Sie das Schiff?« Sein Begleiter schien Lüders Blick mitbekommen zu haben. »Das ankert an einer anderen Stelle.«
»In der Lagune von Hordio?«
»Sie sind gut informiert, Herr Wolfram. Allmählich bekomme ich Zweifel, ob Sie wirklich Reporter sind.«
»Wir haben unsere Quellen«, wich Lüder aus und wechselte das Thema. »Sie wollten mir erzählen, was Sie in Kiel studiert haben.«
»Das habe ich Ihnen schon einmal gesagt.«
»Etwas ausführlicher, bitte. Nicht jeder ist ein Experte«, bat Lüder.
»Biological Oceanography. Sie wissen, dass unsere Erde zu über siebzig Prozent mit Wasser bedeckt ist. Somit sind die Ozeane die größten, aber auch weitgehend unbekannten Lebensräume unseres Planeten. Es gibt in ihnen und über sie noch viel zu erforschen, was für die Menschheit lebenswichtig
Weitere Kostenlose Bücher