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Fahrtenbuch - Roman Eines Autos

Fahrtenbuch - Roman Eines Autos

Titel: Fahrtenbuch - Roman Eines Autos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklas Maak
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Fonds rausgegangen, das ist mir zu unsicher« … »sollten wir aber halten, weiter runter werden die nicht gehen … das können sie nicht zulassen«. Berger versuchte, der Geschichte mit dem Hund etwas Amüsantes abzupressen, musste aber feststellen, dass nur die Gastgeberin aufmerksam seinen Kampf gegen den Kampfhund verfolgte und ihrem Mann, der die Unterlippe vorgeschoben hatte und seine Serviette mit phantasievollen Faltungen auf Handtellergröße zusammenknickte, mahnend die Hand auf die Schulter legte.
    Am späteren Abend, als er sich verabschieden wollte, verwechselte er die Vorsitzende der SAPA Holding mit der identisch gekleideten Frau von Tolkow. Er fuhr mit Magenschmerzen nach Hause und wachte am nächsten Morgen mit dem Gefühl auf, eine nicht wiedergutzumachende Peinlichkeit begangen und sich vor einflussreichen Figuren seiner Branche bis auf die Knochen blamiert zu haben.
     
    An diesem Mittwochmorgen schlich Berger wie ein Einbrecher am Empfangstresen vorbei in sein Büro. Im gesamten achten Stock war die Klimaanlage ausgefallen, und obwohl es noch früh war, stand eine ungesunde Hitze im Raum. Jemand versuchte, ein Fenster zu öffnen, und stellte fest, dass die Griffe abgeschraubt worden waren; es gab nur, für Notfälle, einen roten Hammer, der in einem Glaskasten hing. Kurz vor der Konferenz versagten die ersten Deos, und über denTelefonen, Tastaturen und Türklinken bildete sich ein feiner, klebriger Film.
    Die Frühkonferenz fand im dritten Stock statt. Es war eine außerplanmäßig anberaumte Krisenkonferenz, was man an der Menge schiefsitzender Anzüge, hektisch gebundener Krawatten und nervös zuckender Augen erkannte; die Jalousien waren halb heruntergelassen. Auf dem Tisch herrschte die gleiche penible Ordnung wie immer; die Sekretärinnen hatten auf sechs Tellern Tagungsgebäck ausgelegt,trockene Kekse, die ihr Verfalldatum längst erreicht hatten und deren Schokoladenüberzug kleine weiße Bläschen zeigte.
    Der Leiter der Abteilung für strukturierte Produkte, ein eleganter Halbitaliener mit erstaunlich behaarten Händen, ergriff als erster das Wort. Er bat um erhöhte Wachsamkeit. Die Kunden seien angesichts der Entwicklungen auf den internationalen Märkten sehr nervös, »und wir sind«, sagte er mit einer ausladenden Bewegung des rechten Arms, »Teil dieser Dynamik«. Die Volatilität der Märkte beanspruche die Nerven vor allem konservativer Anleger. Er wisse von Vorfällen in Hamburg, dort gebe es Ärger wegen der Beteiligung an United Stardust; anderswo seien Mitarbeiter von enttäuschten Investoren körperlich angegangen worden; man müsse davon ausgehen, dass die Anleger bei der Hauptversammlung sehr emotional reagierten – und dass es in sehr vereinzelten Fällen zu Bedrohungen kommen könne. Das gelte, natürlich, vor allem für die Juristen und Anlageberater der Fonds, deren Dünnhäutigkeit nicht dazu beitrage, die Lage zu entschärfen.
     
    Zum Glück, dachte Berger, waren die Container nicht zur Sprache gekommen. Dafür tauchte gegen halb zehn, während er seine Präsentation vorbereitete, einer der Vorstände in seinem Büro auf. Er machte ein ernstes Gesicht und legte den Ausdruck einer Transaktion vom 13. August auf den Tisch.
    »Wussten Sie von diesem Geschäft?«
    »Nein.«
    »Also«, insistierte der Vorstand und beugte sich so weit vor, dassBerger sein süßliches Parfüm riechen konnte, »Sie haben nichts davon gewusst?«
    Seine Mundwinkel zuckten. »Es ist sehr wichtig, dass ich das weiß. Es gibt Irritationen über Ihre Rolle in dieser Sache. Ich habe Informationen, dass es sehr ernste« – ihm erstarb an dieser Stelle die Stimme, er räusperte sich – »sehr ernste Konsequenzen haben kann, wenn sich herausstellen sollte, dass Sie von dieser Angelegenheit Kenntnis hatten.«
    »Ich wusste nichts davon.«
    »Aber die Sache gehört ja eigentlich in Ihr Ressort, und es beunruhigt mich fast noch mehr, dass sie an Ihnen vorbeigespielt werden konnte. Wirklich – es wäre mir lieber, Sie hätten hier eine Fehlentscheidung getroffen, als dass Sie eine so fundamentale Angelegenheit einfach übersehen haben.«
    Berger holte Luft.
    »Wir wissen«, hakte der Vorstand mit einer kälter werdenden Stimme nach, »dass es Anrufe von Ihrem Telefon nach Tokio und Frankfurt gab. Wissen Sie, es ist wichtig, dass ich es jetzt erfahre, wenn Sie der Anrufer waren. Es gibt sehr weitreichende Anschuldigungen gegen Sie …«
    »Von wem?«
    »Das darf ich Ihnen natürlich nicht sagen.

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