Faith (German Edition)
nach der Länge eines Weges. Ich würde es in weniger als einer Sekunde schaffen. Du hingegen“, er sah Ben abwägend an, „also ehrlich, keine Ahnung.“
Der kleine Zwiesel zerrte den älteren an der Jacke. „Vater!“
„Was ist?“
„Ich habe von Fremden gehört, die viele Tage gebraucht haben, um zu Annabelle zu gelangen.“
„Aber wieviel sind viele Tage?“, fragte sich Ben.
Seine freundlichen Besucher waren nicht gegangen, ohne ihm Brot, Käse und Wasser dagelassen zu haben.
Ben fühlte sich verloren, nachdem die Zwiesel gegangen waren.
Allein.
Er suchte noch einmal alles ab und rief nach Richard, aber außer den Baumfröschen antwortete niemand.
Er kletterte sogar die zusammengestürzten. bröckelnden Steinstiegen in die vom Einsturz bedrohten Kellergewölbe hinunter.
Es war unheimlich und kalt hier unten. Was diese düsteren Bollwerke wohl gesehen haben mochten? Hatten sie dem Schutz der Bewohner gedient, oder waren es Gefängnisse oder gar Folterkeller gewesen?
Eine einzige intakte hohe Eisentür stand noch.
Aber sosehr sich Ben bemühte, er konnte sie nicht öffnen. Und was ihm nicht gelang, konnte auch Richard nicht gelungen sein, oder doch?
Er rüttelte noch einmal kräftig, aber außer einem hohlen Klang, als sei der Raum dahinter leer, konnte er nichts hören. Die Tür rührte sich nicht.
Resigniert verließ er den Keller und war froh, die letzten warmen Sonnenstrahlen des Tages noch zu spüren.
Selbst der unmelodische Gesang der Frösche schien ihm jetzt, nach der feuchten Trostlosigkeit der labyrinthischen Gewölbe unter ihm, tröstlich.
Kaum hatte er seinen Schlafplatz auf dem Turm erreicht, verstummte allerdings das Gequake.
Ohne Vorbereitung und genauso schnell wie am Abend vorher war die Sonne untergegangen. Gestern um diese Zeit war Richard noch bei ihm gewesen.
Ben hatte fest geschlafen. Die Suche nach Richard am Vortag hatte ihn sehr erschöpft.
Er wollte noch einmal das Gelände absuchen, auch die unterirdischen Gewölbe. „Ich werde ihm eine Nachricht hierlassen“, dachte Ben, „und mich dann auf den Weg machen.“
Er packte seine Sachen zusammen und hob dann Richards Rucksack vom Boden auf. Unter dem Rucksack fand er die Maske.
Lara hatte von Adams und Jamals Erlebnissen berichtet und über ein Konzert mit maskierten Musikern gesprochen. Adam und Jamal hatten damals eine Maske gefunden und mitgenommen.
„Ob diese hier eine der Masken ist?“, fragte sich Ben. Aber wie kam Richard daran, hatte Adam sie ihm überlassen? Und wenn ja, wozu?
Die Nachricht für den Freund und seinen Rucksack deponierte er auf dem Turm unter einem großen Stein. Dort würde Richard beides finden können.
Die weiße Maske nahm er mit.
Wenn Adam damit in die Vergangenheit hatte blicken können, würde ihm das vielleicht helfen zu sehen, wo Richard geblieben war.
Die Versuchung, die Maske auszuprobieren war stark, aber er hatte auch Angst. Auf dem Weg zurück in den Keller nahm er nur die Maske mit.
Vor dem eisernen Tor setzte er sie auf. Im gleichen Moment schlug es mit einem ohrenbetäubenden Krachen auf und krachte gegen die steinerne Mauer dahinter. Die Szene vor ihm war grauenerregend.
Eine alte Frau lag in zerfetzten Kleidern auf einem Tisch, dessen Platte durch einen breiten Gurt ersetzt worden war. So schwebte sie, an Händen und Füßen gefesselt, durch Ketten auseinandergezerrt, zwischen vier eisernen Tischbeinen.
Ihr Kopf befand sich in einer Schlinge, die ihren geschundenen Körper zusätzlich in die Länge zog. Zwei Stahlplatten, die mittels zweier Kurbeln von unten und oben ihren Leib zusammenpressten, vervollständigten das abscheuliche Bild. Die Männer, welche die Kurbeln bewegten, trugen schwarze spitze Kappen, die das ganze Gesicht, außer den Augen, bedeckten.
Sie waren nicht zu erkennen.
An die Felswände ringsherum gekettet lagen oder hingen Männer und Frauen.
Ihr Stöhnen und ihre Schreie füllten den Raum und hallten von den Wänden wider.
In der Tiefe des Raumes stand ein hochgewachsener, ganz in einen schwarzen Umhang gehüllter Mann.
Er stellte immer wieder die gleiche Frage.
„Wo ist das Zeichen der Macht verborgen?“
Aber keiner der Alten antwortete. Nur ihr Schmerz, ihre Pein antworteten ihm. Entweder wussten sie nichts oder sie wollten es nicht verraten.
Ben wollte in das Gewölbe hineinstürmen, um dem Spuk ein Ende zu machen, aber er konnte sich nicht rühren. Schweißgebadet riss er sich die Maske vom Gesicht.
Die eiserne Tür, vor
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