Faith (German Edition)
Schlaraffenland.
Nach einer kurzen Pause trabte sie unter dem leuchtend blauen Himmel an einem klaren Fluss entlang, der sich durch stoppelige Felder und an noch grünen Wiesen vorbei seinen Weg suchte.
Das flaschengrüne Wasser war so durchsichtig, dass Lisa die Steine auf dem Grund und ganze Fischschwärme ausmachen konnte. Die bunten Fische, die wie Minifeuerwerke hin- und herschossen, glitzerten im Sonnenlicht.
Lisa war unsicher. Sollte sie umkehren oder hier irgendwo einen Platz für die Nacht suchen?
Annabelles Schloss würde sie nicht vor Sonnenuntergang erreichen. Sie machte sich keine Sorgen um ihre Sicherheit. Jeder, der hier unter Annabelles Schutz stand, war tabu für die Wesen in ihrem Land.
Weiterzureiten schien ihr verlockender.
Morgen war auch noch ein Tag und Zeit genug, vor Einbruch der Dunkelheit den Palast zu erreichen.
Sie dachte sehnsüchtig an ihre Freunde, die, allein wie sie selbst, durch die Anderswelt irrten.
Wo mochten Jamal und Adam sein, hatten sie sich retten können oder waren sie in ihrem kleinen Boot auf dem Meer gekentert und ertrunken?
Lisa schluckte die aufsteigenden Tränen hinunter. Annabelle war gefährlich gewissenlos.
Faith hatte recht gehabt und sie selbst hatte diese Tatsache über dem Wohlleben einfach vergessen oder verdrängt.
Sie schämte sich.
Lisa achtete weder auf ihre Umgebung noch auf die Zeit. Tief in Gedanken ritt sie weiter am Fluss entlang.
Ohne Ankündigung sackte die Sonne hinter den Horizont und schickte die runde Scheibe eines silbernen Mondes auf die nächtliche Reise.
Sein sanftes Licht verwandelte Lisa und die weiße Stute in märchenhafte Lichtgestalten.
Ben erwachte und öffnete in dem Moment die Augen, in dem der Mond Lisas blondes langes Haar und das weiße Fell ihrer Stute in silbernes Licht tauchte. Er glaubte, noch immer zu schlafen und zu träumen.
Aber das Pferd und die zauberhafte Reiterin näherten sich, bis sie dicht vor ihm hielten.
„Lisa!“
Bewegungslos sah Lisa auf Ben hinunter, bis er aus seiner Erstarrung erwachte. Er streckte ihr beide Arme entgegen.
„Ben!“
Sie glitt vom Rücken des Pferdes direkt in seine Arme. Ben hielt sie so fest, als wolle er sie nie wieder loslassen.
Schließlich löste sich Lisa aus seiner Umarmung. Tränen glitzerten in ihren Augen, als sie zu ihm aufsah.
„Wie kommst du hierher, was tust du hier?“
Ohne zu antworten küsste er sie sanft, und Lisa erwiderte seinen Kuss.
Als sie sich endlich voneinander trennten, bekam Lisa ihre Antwort.
Sie saßen Hand in Hand nebeneinander, als sei es das Selbstverständlichste der Welt.
„Ich bin mit Richard hergekommen. Sein Vater hatte ihn zurück ins Internat geschickt. Aber die Sorge um Faith und euch alle hat Richard bewogen, sich heimlich wieder hierher zu schleichen.
Ich bin ihm gefolgt, obwohl er das nicht wollte. Aber ich musste mitgehen, ich hatte Angst um dich.“
Er legte einen Arm um Lisa und zog sie erneut an sich.
Sie redeten bis tief in die Nacht und schliefen eng umschlungen ein.
Richard unter der Erde
Als die eiserne Tür hinter ihm zufiel, schrak Richard heftig zusammen.
Er hatte den Schokoriegel im Gewirr der Trümmer gefunden. Als er zugriff, fiel er jedoch zwischen den Mauerteilen noch weiter nach unten.
Für ihn war es nicht schwierig, trotz der Dunkelheit die Treppe in den Keller zu finden.
Außerdem war er neugierig. Er wollte wissen, wie es unter der Ruine aussah. Und da er im Dunkeln wie im Hellen sehen konnte, gab es keinen Grund, nicht hinunterzugehen.
Ben würde auf sein Abendessen einen Moment länger warten müssen.
Das Eisentor, das ihm als Erstes auffiel, stand einladend weit offen und Richard konnte nicht widerstehen.
Kaum hatte er den anschließenden niedrigen Gang betreten, schlug das Tor hinter ihm mit einem ohrenbetäubenden Lärm zu.
Er versuchte mit allen Mitteln das Tor zu öffnen, rüttelte und warf sich dagegen, aber all seine Bemühungen, es wieder aufzubrechen, waren umsonst.
Er dachte an Ben, der auf ihn wartete.
Wieder versuchte er, das Tor aufzustemmen, er rief nach Ben, lauschte und schrie erneut. Aber er bekam keine Antwort.
Schließlich ließ er sich, mit dem Rücken zur Tür, auf dem Boden nieder und wartete.
Ben würde ihn suchen, spätestens morgen früh musste er kommen.
Jetzt, in der Nacht, konnte Ben die Treppe gar nicht finden.
Es wäre lebensgefährlich für ihn, in den Ruinen umher zu klettern, ohne etwas zu sehen.
Aber morgen.
Völlig zerschlagen wachte Richard
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