Faith (German Edition)
danach aus. „Die werden uns das Leben retten“, spottete er.
„Besser als nix, oder hast du noch was zu bieten?“
Richard warf Ben einen der Riegel zu. In der zunehmenden Dunkelheit verfehlte Ben ihn. Sein Abendessen fiel über den niedrigen Rand des Turmes nach unten.
„Verdammt, den find ich nie in der Dunkelheit.“
„Aber ich!“ Richard stand auf und starrte in das Gewirr der zerbrochenen Mauern unter ihnen.
„Nein, Richard, geh da jetzt nicht runter. Es ist zu dunkel, du kannst dir sonst was brechen.“
Ben hatte plötzlich ein Gefühl, eine Vorahnung von einer Gefahr, so, als lauere da unten etwas Schreckliches.
„Du weißt doch, dass ich im Dunkeln sehen kann. Also keine Sorge, bin gleich wieder da.“
Richard ging, aber er kam nicht wieder.
Verzweifelt lief Ben, wie ein gefangenes Tier, auf seinem Turm hin und her. Immer wieder rief er nach Richard.
Er bekam keine Antwort.
Sogar die Baumfrösche waren verstummt. Um ihn herum war nichts als grenzenlose Stille und undurchdringliche Finsternis.
„Wenn ich diese Nacht überstehe“, dachte er, „und Richard wiederkommt, wird nie mehr ein Fluch über meine Lippen kommen.“
Ben erwachte nach einem unruhigen Schlaf, genau mit dem ersten Sonnenstrahl.
Was hatte er bloß geträumt?
„Richard?“
Erschreckt fuhr er hoch. In einer Ecke des Turmes stand Richards Rucksack. Seine Sachen lagen in einem unordentlichen Haufen daneben, so wie er sie gestern Nacht verlassen hatte, als er die Schokolade gesucht hatte.
Ben fuhr sich aufgelöst mit beiden Händen durch die blonden Haare. Und die Ahnung wurde zur Gewissheit. Richard war und blieb verschwunden.
Aber jetzt war es hell. Nun konnte er Richard suchen. Gestern Nacht war es völlig unmöglich gewesen, auch nur die Hand vor Augen zu sehen.
Ben kletterte über auseinandergebrochene steinerne Stufen hinunter, dorthin, wo er den Schokoriegel vermutete. Richard hatte ihn trotz der Dunkelheit gesehen und war sicher zuerst dahin gelaufen.
Vielleicht gab es Spuren, die ihn zu ihm führten.
Aber es gab keine Spuren, nichts.
Ben stolperte Stunden über die Steinquader, die kreuz und quer ineinander verkeilt und manchmal gefährlich gestapelt in der Ruine lagen.
Er rief und sah unter jeden Stein, ohne Erfolg.
Verdreckt und aus etlichen Schürfwunden blutend, gab er schließlich auf.
Er hockte, den Kopf in den Händen, auf einem Mauerrest, als er neben sich eine hohe Fistelstimme hörte.
„Brauchst du Hilfe?“
Die Stimme gehörte einem kräftigen älteren Mann. Die dunklen Augen in seinem braunen freundlichen Gesicht sahen ihn forschend, aber auch besorgt an.
Der Mann war so blitzartig aufgetaucht, dass Ben erschrak.
„Du brauchst keine Angst zu haben. Ich bin ein Zwiesel. Wir bewegen uns anders fort als ihr, schau mal.“
Ohne dass Ben eine Bewegung gesehen hätte, stand der Zwiesel plötzlich nicht mehr rechts von ihm, sondern an seiner linken Seite.
Ben war verwirrt und sah sich um, er vermutete einen zweiten Zwiesel, aber da war nur dieser eine, der ihn verschmitzt angrinste.
Neben dem Mann erschien genau so unvermittelt ein kleiner Junge, der dem Älteren wie aus dem Gesicht geschnitten war. Er bot Ben Wasser aus einem Krug an, das er dankbar annahm.
„Mein Freund ist gestern Nacht verschwunden.“
Ben musste sich jemandem anvertrauen und die Zwiesel machten einen freundlichen Eindruck.
„Habt ihr ihn vielleicht gesehen?“
„Hier geht nichts verloren, alles taucht wieder auf, nur eventuell nicht da, wo du es suchst.“
Ben sah den Zwiesel zweifelnd an.
„Ich kenn mich hier nicht aus.“
Er überlegte. Wenn er Richard nicht fand, würde es das Beste sein, gleich Lisa zu suchen, also nicht erst zu Magalie zu gehen, sondern zu Annabelle. Adam hatte gesagt, dass sie zuletzt dort gewesen war.
„Wo willst du denn hin?“
„Ich suche eine Freundin, man hat mir gesagt, dass sie sich bei Annabelle aufhält.“
Richard würde, wenn er ihn hier nicht mehr fand, sicher den gleichen Weg einschlagen. Er wusste ja, dass er zu Lisa wollte. Aber er könnte noch einen Tag abwarten, in der Hoffnung, Richard wiederzutreffen.
„Ich will morgen aufbrechen, könnt ihr mir den Weg zu Annabelle zeigen?“
„Sicher, das ist kein Problem. Du hast das Flussdelta gesehen. Sieben Flussarme gibt es. Meide den Hauptstrom. Geh mit dem, der grünschillerndes klares Wasser führt. Er fließt durch Annabelles Land.“
„Wie weit ist es?“
Die Zwiesel lachten.
„Frag einen von uns niemals
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