Faith (German Edition)
verspürte, dann war es wohl Obsidian, dieses wundervolle Tier.
Vielleicht war das der Grund, warum er vor einigen Jahren Richard erlaubt hatte, die graue Stute Corone zu behalten. Die Liebe zu so einem herrlichen Wesen konnte er, ohne Eifersucht zu empfinden, akzeptieren und verstehen.
Obsidian trug ihn über graubraune lehmige Terrassen, die sich in übereinanderliegenden Schichten über das weite öde Land vor ihm hinzogen.
Ein kalter Wind ließ die blauschwarze Mähne seines Pferdes flattern. Vor ihm streckten hohe eiserne Türme ihre skelettartigen Pfeiler in einen bleichen Himmel, unter dem dunkle Wolkenfetzen dahintrieben. Für einen Moment glaubte er, die Umrisse von Magalies Hexen zu erkennen. Verächtlich kräuselten sich Leathans Lippen.
Obsidians Hufe trommelten eine dumpfe Melodie, vorbei an abgeholzten Wäldern und an Tümpeln voller Unrat.
Hier, unter der Erde, arbeiteten die Lavatiden . Sie hüteten gewaltige Feuer und gruben kilometerlange Tunnel, indem sie Eisenkeile in die Felsspalten trieben. Sie bauten das Erz ab, das sie für die Herstellung der Waffen für Leathans Elfen benötigten. Von ihnen kamen auch die Rohstoffe für die Brücken, die die Felsnadeln im Tal der Feen miteinander verbanden. Die Lavatiden waren hervorragende Bergarbeiter und Waffenschmiede, aber keine Künstler wie die Artisanen.
„Magalie“, dachte Leathan, „eines Tages wirst du mir gehören.“
Seine Miene verdüsterte sich, als er an Roberts Flucht dachte.
Er hoffte, dass das Wasser ihn verschluckt hatte.
Aber sicher konnte er nicht sein. Richard musste ihm dieses Mädchen bringen. Da sie nicht wissen konnte, dass ihr Vater vielleicht nicht mehr lebte, war sie sicher noch auf der Suche nach ihm.
Leathan kehrte um.
Eine halbe glutrote Sonne hing jetzt, schwebend wie ein Schirm, am Himmel. Der dunkle Fürst war den ganzen Tag geritten.
Bald würde es stockfinster werden. Nur die nie verlöschenden Feuer, die wie Fackeln aus den vulkanartigen Erhebungen der Ebene loderten, würden seinen Weg erhellen. Aber Leathans violette Augen liebten die Dunkelheit.
Am Kamin
Nachdem Lara, Christian und Richard sich von Adam im Krankenzimmer verabschiedet hatten, gingen sie in den Gemeinschaftsraum.
Hier saßen alle gern in den bequemen alten Sesseln. Es gab einen Kamin, der im Winter den ganzen Tag eine angenehme Wärme verbreitete.
Man konnte lesen, reden oder einfach nur ins knisternde Feuer starren, wie Ben es gerade tat, als die drei den Raum betraten.
Patricia blätterte gleichgültig in einer hochglänzenden Modezeitschrift und gab vor, sich nicht zu langweilen. Die beiden wirkten nicht besonders glücklich.
„Habt ihr Laura und Lena gesehen?“
Ben nickte. „Zuletzt am Kiosk. Paul und Noah waren auch bei ihnen.“
„Na klar, ohne Noah könnten die morgen schließen.“ Lara grinste.
„Ich hol sie“, bot Richard an.
Der Kiosk war ein kleines Holzhaus, direkt gegenüber dem Mädchentrakt der Schule. Dort gab es Currywurst, Cola, Zigaretten und jede Form von Süßigkeiten zu kaufen. Natürlich war Noah einer der Stammgäste dort.
„Christian, könntest du Viktor simsen, vielleicht ist er in seinem Zimmer?“
Kaum hatte Lara die Frage ausgesprochen, öffnete sich die Tür, und Viktor kam mit Valerie herein.
„Wie geht es Adam? Und wisst ihr schon was über Faith und Jamal?“
Valerie schloss die Tür und sah Christian erwartungsvoll an. Sie hatte Patricia, die etwas abseits saß, noch nicht gesehen. Patricia hatte, zurück aus der Anderswelt, nichts davon mitbekommen, dass Faith, Adam, Jamal und später auch Lisa in das Land, aus dem sie entkommen war, gegangen waren. Sie hatte tief und erschöpft geschlafen. Erst auf dem Sofa im Kaminzimmer der alten Villa und später im Auto, auf dem Weg zurück ins Internat. Aber sie war misstrauisch. Irgendetwas stimmte nicht. Grippe war die offizielle Version, weswegen vier ihrer Mitschüler noch nicht wieder am Unterricht teilnahmen.
„Nun setzt euch doch erst mal. Richard sucht noch die anderen. Und ja, er hat was erzählt. Aber wir warten noch, sonst müssen wir alles zweimal sagen.“
Noah kaute wie immer und hatte den Arm um Lena gelegt, die neben ihm auf dem Sofa saß. Laura und Paul hockten vor dem Kamin auf dem Fußboden.
„Ist Bruno schon weg?“
„Der muss heute seinem Vater bei einer Lieferung helfen. Er konnte nicht länger bleiben.“
Valerie zuckte bedauernd mit der Schulter. Bruno half gelegentlich seinem Vater in dessen
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