Faith (German Edition)
Rasen, der zum Schloss hin durch eine Hecke aus Teufelsbeeren geschützt wurde. „Liguster“, dachte Faith. „Das passt zu Annabelle. Schön, aber tödlich.“
Fast alles an dieser Pflanze war giftig. Dicke, dunkelblau glänzende Beeren hingen in den graugrünen Zweigen.
Die Schützen konnten hinter der hohen grünen Wand konzentriert und ungestört, ohne jemanden zu gefährden, üben.
Faith schoss so ungeschickt wie möglich. Einen ihrer Pfeile verschoss sie so jämmerlich, dass er weit über das Grün hinaus, über die Hecke, in die Ebene aus der sie gekommen waren, flog. Bevor jemand sie davon abhalten konnte, rannte sie los, um den Pfeil wiederzuholen.
Sie war immer eine schnelle Läuferin gewesen, aber heute hatte sie das Gefühl zu fliegen.
Die Landschaft unter ihr hatte sich verändert. Es gab noch die blauen Beeren und auch die mit Wasser gefüllten Tümpel, aber alles schien gepflegter zu sein.
Kobolde in grasgrünen Overalls schnitten kleine Büsche in Form. Kräftige Trolle packten Geröll beiseite und legten die schönsten Steine um die Wassertümpel herum. Schotter wurde weggeräumt und durch weißen Kies ersetzt.
Sie fand ihren Pfeil.
Er steckte in einem der Hügel, aus denen fortwährend dichter Dampf austrat.
„Geh noch einmal zu den Reifen, mein Kind.“ Sie glaubte, im Dunst, dessen Kern sich leicht blau verfärbte, eine Gestalt zu erkennen.
„Wer bist du?“
„Frag nicht, Faith, tu was ich dir sage, ich bitte dich.“
Noch ehe Faith antworten konnte, war sie wieder allein.
Nur Kobolde und Trolle waren in der Nähe.
Faith war nicht sicher, ob sie wirklich jemanden gesehen hatte. Ganz sicher war sie allerdings, etwas gehört zu haben. Vorsichtig blickte sie sich nach allen Seiten um.
Sie würde noch einmal zu den Reifen gehen. Das hatte sie sich ohnehin vorgenommen.
Sie hob ihren Pfeil auf und ging nachdenklich zurück zum Schloss.
Flammendes Haar
Annabelle stand ganz oben auf der Treppe und sah auf Leathan hinab. „Du kommst zu Pferd? Was ist los, du liebst doch sonst den großen Auftritt. Eingehüllt in deine dunklen Nebel. Das kann nur bedeuten, dass du dich in letzter Zeit übernommen hast.“ Sie lächelte boshaft, weil sie erkannte, dass sie seinen wunden Punkt getroffen hatte und er es wusste.
Leathan sprang ab und warf einem Elf die Zügel zu. Er war wie immer ganz in Schwarz gekleidet.
Der Dunkelalb wollte sich auf keinen Fall provozieren lassen.
Und bestimmt würde er seiner Schwester nicht auf die Nase binden, dass er sich im Moment nicht auf dem Höhepunkt seiner Kraft befand.
Er hatte zu viel Magie angewandt. Seine Energien mussten sich wieder aufladen.
„Ich habe keine Zeit für deine Bosheiten, komm einfach zum Thema.“
„Aber, lieber Bruder, doch nicht hier auf der Treppe. Wir gehen in meine Räume.“
Damit drehte sie sich um und schritt durch das hohe Eingangsportal in die Halle.
Sie erwartete einfach, dass er sich ihr anschloss. Und genau das tat Leathan.
Der Ausblick aus Annabelles Gemächern war atemberaubend.
Das Meer lag jetzt ruhig, es war eine gewaltige smaragdgrüne spiegelglatte Fläche.
Nur am feinen Sand des Strandes leckten kleine helle Wellen.
Bodenlange hauchzarte Tücher wehten in den geöffneten Türen. Annabelle trat hinaus auf eine überdachte Veranda, die von Säulen gestützt wurde.
Mit dem Rücken zum Meer, an die steinerne Balustrade gelehnt, sah sie ihrem Bruder entgegen.
Gefährlich schön.
Neben ihr stand ein mit silbernen Schalen reich gedeckter Tisch.
„Greif zu, Leathan, du wirst hungrig sein nach dem langen Ritt.“
Sie selbst nahm sich ein Ingwerplätzchen und schob es zwischen die silbern geschminkten Lippen.
„Ich bin nicht zum Essen hergekommen. Sag mir, was du mir anzubieten hast.“ Sein Blick wanderte an Annabelle vorbei hinunter zum Strand. Seine Augen verengten sich, als er dort zwei Mädchen entdeckte.
Das blonde Haar des einen Mädchens leuchtete in der Sonne, die Locken des anderen loderten glühend auf, als habe die Sonne sie entzündet.
Flammendes Haar.
Sie waren umgeben von einer Gruppe Elfen und Feen.
Das fröhliche Gelächter der Zuschauer am Strand war bis hier oben zu hören.
Sie hatten ein Netz gespannt, und jedes Mal, wenn einer der Spieler mit elegantem Sprung den Ball erreicht hatte, um ihn zurückzubaggern, flutete begeistertes Klatschen zu Annabelle und Leathan hinauf.
Annabelle beobachtete den Bruder.
Sie musste sich nicht umdrehen, um zu sehen, was er entdeckt hatte.
Sie
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